Auf Krebsgang
: KOMMENTAR VON ARNO FRANK

Zu einer zivilisatorischen Reife, die sich im Alltag niederschlägt und mit derjenigen vieler europäischer Nachbarn vergleichbar ist, fehlt Deutschland seit Jahrzehnten zweierlei: ein Tempolimit auf Autobahnen und ein Rauchverbot in Gaststätten. Langfristig wäre Rasern wie Rauchern mit solcherart staatlichen Einschränkungen ihrer ungesunden Freiheiten gedient. Kurzfristig aber sind immer irgendwo gerade Wahlen, weshalb die Politiker sich dem Problem bislang allenfalls im Krebsgang näherten.

Dann veranlassen sie halbherzige Kampagnen gegen Gefahren, die mit vielleicht unpopulären, aber nahe liegenden Maßnahmen schnell gebannt wären. Anstatt verantwortlich zu handeln und dafür die politische Verantwortung zu übernehmen, warten sie auf die Menschenfreunde aus Brüssel. Oder sie machen sich schlichtweg aus dem Staub.

Doch jetzt scheint dieses lächerliche Theater ein Ende zu nehmen. Nachdem es bereits am Arbeitsplatz durchgesetzt wurde, soll das Rauchverbot nun auch auf Gaststätten und öffentliche Orte wie Ämter oder Schulen ausgeweitet werden. Es wäre ein Fortschritt, würden auch noch die Raucherzonen abgeschafft – sie sind so sinnvoll wie ausgewiesene Pinkelzonen im öffentlichen Freibad.

Mag sein, dass das Rauchverbot dem zwangsinhalierenden Nichtraucher eine lange ersehnte Erleichterung bringt. Was aber bringt es dem Raucher? Für eine Weile wird er sich seiner kostbaren Freiheit beraubt sehen, am Aschenbecher stehen und schmollen, von Verboten umzingelt. Für eine Weile werden wir ihn noch aus zugigen Hauseingängen schimpfen hören. Sehr bald aber wird es still werden dort draußen. Der Raucher wird sich an der frischen Luft wiederfinden und bei jeder Zigarette mit einer Sucht konfrontiert werden, die er zuvor, in der Gesellschaft anderer Süchtiger, gar nicht als solche erkannt hat. Er wird sich daran erinnern, dass er „bei günstiger Gelegenheit“ mal aufhören wollte – und merken, dass jede Gelegenheit günstig und seine Gesundheit heilig ist. Wann das so weit sein wird? Wir werden es merken, wenn er sich in die Raucherpause mit der Bemerkung verabschiedet, er gehe mal kurz „auf Krebsgang“.