DIE CDU HAT HERRN SCHEUERL HERAUSGESCHMISSEN, ABER DAS MUSS NICHT DAS ENDE SEINER MISSION SEIN. DENN AUF DIE GROSSE FÖRDERWUT DER ELTERN LÄSST SICH ZUVERSICHTLICH BAUEN
: Raketenkinder und ihre Förderer

Foto: Lou Probsthayn

KATRIN SEDDIG

Walter Scheuerl ist raus aus der Hamburger CDU-Fraktion. Was soll man dazu sagen? Soll man sich freuen, für die CDU, die ihn endlich los ist? Oder doch nicht? Aber es ist ja auch selbst für die CDU alles andere als schön, sich überlegen zu müssen, wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass ein Meinungskämpfer wie Herr Scheuerl erst – leichtsinnig? – in die eigenen Reihen aufgenommen und dann aus diesen wieder entfernt werden musste.

Konnte die Hamburger CDU nicht ein klein wenig hellsichtig sein? Selbst in einer Partei der Unternehmer, und vielleicht gerade da, muss sich etwas untergeordnet werden, wenn einmal ein politisches Ziel erreicht werden soll. Muss ein bisschen an einem Strang gezogen werden, sonst gibt es nur ein Gezerre und keine Richtung. Das weiß man doch. Und dass der Herr Scheuerl das gar nicht möchte. Der Herr Scheuerl hat viele gute Absichten und geht darin immer seinen eigenen Weg.

Manchmal stehen ihm Hamburger Eltern zur Seite, die fürchten, dass ihr Kind nicht genügend lernt und dann später nicht den idealen Start ins Leben bekommt. Das ist eine Hauptfurcht von nicht nur Hamburger Eltern, dass Kinder nicht den idealen Start bekommen und dass sie nicht genug lernen.

Es ist wichtig, dass die Klugen von den weniger Klugen oder die Willigen von den weniger Willigen getrennt werden, damit vor allem die Klugen und Willigen mehr und besser lernen können, um später wie Raketen in das Berufsleben starten zu können.

Denn das ist ja unser aller oberstes Ziel, dass unsere Kinder erfolgreich sind und auf keinen Fall ein Talent ungenutzt und eine Gehirnzelle leer bleibt, weil wir uns nicht genügend drum gekümmert haben und die Politik die dummen und unwilligen mit unseren klugen und talentierten Kindern zusammen in einer Klasse lernen lassen lässt, worunter unsere klugen und willigen Kinder sehr leiden würden, weil sie immer Rücksicht nehmen müssten. Unsere Kinder sind übrigens immer klug und talentiert, wenn nicht gar hochbegabt. Aber das nur nebenbei.

Herr Scheuerl hat eine Website, auf der man seine Positionen nachlesen kann. Ich glaube, er selbst hat nicht ganz so idealen Unterricht gehabt, denn es finden sich teilweise doch recht viele Rechtschreibfehler in seinen Positionen. Oder er hat einen weniger gut geförderten Menschen aus Mitleid bei sich beschäftigt, und hat diesen seine Positionen in weniger guter Rechtschreibung ausformulieren lassen.

Zum Umweltschutz denkt der Herr Scheuerl: „Die Versorgung der Bevölkerung und der Unternehmen mit Energie zu sozial verträglichen Preisen bei gleichzeitig größtmöglicher Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit ist eine der wichtigsten gesellschaftlichen Aufgaben. Dass sollte aber auch nach den Bildern vom Reaktorunglück in Fukushima nicht zu blindem oder gar ideologiebeladenem Aktionismus führen. Denn Politik bedeutet Verantwortung.“

Natürlich nicht. Das hieße ja, den Umweltschutz übertreiben und gar missbrauchen. Für den Tierschutz sieht Herr Scheuerl das ähnlich, er ist dafür, aber natürlich nicht für den Missbrauch des Tierschutzes. Er kennt das, denn er hat selbst als Anwalt schon Schweinemäster, Pelztierzüchter, Zirkusbetreiber und Hühnerfarmen vertreten, die unter dem Missbrauch des Tierschutzes zu leiden hatten. Nun wird Herr Scheuerl ganz unabhängig von der CDU seine Visionen durchkämpfen müssen.

Aber vielleicht ist ja die FDP noch offen für einen Umweltschützer und Tierfreund wie ihn? Oder gründet er gar eine eigene Partei? Eine Menge Leute stehen hinter ihm, OnlinekommentatorInnen und Eltern. Sie sehen ihn als das, was er ist, unbestechlich, unbeugsam, ein Mann der mal den Mund aufmacht und mal sagt, wie es ist. Was ihn vor allem ehren soll: dass er kein Gutmensch ist.Katrin Seddig ist Schriftstellerin in Hamburg, ihr jüngstes Buch, „Eheroman“, erschien 2012. Ihr Interesse gilt dem Fremden im Eigenen