Volksverhetzer will ins Rathaus

Stichwahlen in niedersächsischen Städten und Landkreisen: Die CDU im ostfriesischen Leer kann sich nicht zu einem Wahlaufruf gegen einen Rechtspopulisten durchringen. 2003 war der wegen Volksverhetzung und Beleidigung verurteilt worden

von KAI SCHÖNEBERG

Sinti und Roma sind für ihn ein „Ballast für unsere Gesellschaft und Kultur“, Juden nennt er „Abzocker“. Am Sonntag entscheidet sich, ob der vorbestrafte Rechtspopulist Gerd Koch Oberbürgermeister im ostfriesischen Leer wird. Nicht die einzige Entscheidung bei den Stichwahlen, die spannend werden könnte: Immerhin finden an diesem Sonntag in 82 niedersächsischen Städten und Landkreisen Stechen für die Wahl von Landräten, Bürgermeistern und Oberbürgermeistern statt.

Im Städtchen Leer sitzt der Jurist Koch seit 1996 in Stadtrat und Kreistag. Seit drei Jahren darf man ihn ungestraft einen Volksverhetzer nennen: Im Juni 2003 verurteilte das Landgericht Aurich Koch wegen Volksverhetzung und Beleidigung zu fünf Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung und einer Geldstrafe von 4.000 Mark. Er hatte Kurden und Syrer attackiert und eine Lokalpolitikerin sexuell herabgewürdigt. Vor sechs Jahren war Koch bereits vom Amtsgericht Leer wegen Beleidigung verurteilt worden, weil er die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit als „Leeraner Judenverein oder so“ bezeichnet hatte.

Bei der Kommunalwahl vor knapp zwei Wochen hatte Koch fast 20 Prozent bekommen, mehr als die Kandidaten von SPD, CDU und FDP. Am Sonntag ist der parteilose Amtsinhaber Wolfgang Kellner zwar Favorit, weil er vor zwei Wochen 44,5 Prozent der Stimmen bekam. Sicher ist sein Durchmarsch aber nicht: Die Orts-CDU ist heillos zerstritten. Fraktionschef Walter Düngemann ist so gut mit Koch befreundet, dass er vor vier Jahren der Einweihung des Holocaust-Mahnmals fern blieb. Begründung: Er wolle „einer Instrumentalisierung des Holocaust nicht weiter Vorschub leisten“. Auch wenn Parteifreunde warnen, ein gutes Ergebnis für Koch würde Leer „brandmarken“, haben sich seine Freunde von der CDU bislang nicht von ihm distanziert. Deshalb gründeten vier der gerade frisch gewählten CDU-Ratsmitglieder ein eigenes Bündnis, die „Fraktion für Leer“.