Tschüss, Almanya!

STATISTIK Die meisten Einwanderer kommen nicht aus muslimischen Ländern, in die Türkei wandern sogar mehr Personen ab, als von dort einwandern

BERLIN taz | Deutschland ist ein Einwanderungsland – aber auch ein Auswanderungsland. Im Jahr 2009 zogen 721.013 Menschen nach Deutschland, wie das Statistische Bundesamt ermittelt hat. Gleichzeitig haben 733.798 Personen die Bundesrepublik verlassen. Der sogenannte Einwanderungssaldo war also negativ.

Den größten Bevölkerungsaustausch gibt es mit Polen. 2009 zogen 122.795 Personen von dort zu, während 122.629 Menschen Deutschland verließen, um nach Polen zu gehen.

Als zweitwichtigstes Herkunftsland folgt Rumänien. 2009 zogen von dort 56.427 Menschen zu, 44.150 nahmen den umgekehrten Weg. Aus den Vereinigten Staaten kamen 29.882, während 35.502 dorthin wechselten. Ein recht wichtiges Herkunfts- und Zielland ist noch Bulgarien: 28.890 wanderten von dort ein, 19.941 zogen in dieses Land.

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer erweckt den Eindruck, als würden vor allem Muslime einwandern. Doch wie die Statistik zeigt (siehe Grafik oben), spielt die Zuwanderung aus Ländern mit einem großen muslimischen Bevölkerungsanteil fast keine Rolle. Einzige Ausnahme ist die Türkei – und dort ist der „Einwanderungssaldo“ sogar deutlich negativ. 2009 kamen 29.544 aus der Türkei, aber 39.615 zogen dorthin.

Bei diesen Wanderungsstatistiken ergibt sich jedoch ein zentrales Problem: Die Zuzüge sind weit besser erfasst als die Fortzüge. Denn wer ins Ausland wechselt, macht sich oft nicht die Mühe, sich abzumelden.

Dass viele offiziell Gemeldete gar nicht mehr in Deutschland wohnen, zeigte sich sehr drastisch, als die bundesweite Steueridentifikationsnummer eingeführt und an die Bürger verschickt wurde. Viele Briefe kamen zurück, weil der Adressat unbekannt verzogen war. Seit 2008 werden diese Karteileichen aus der Statistik entfernt – was zum Teil erklärt, warum der Einwanderungssaldo negativ ist.

Weitere Korrekturen dürften demnächst bevorstehen. 2011 wird ein bundesweiter Zensus durchgeführt, um die tatsächliche Bevölkerungszahl genau zu erheben. Offiziell sollen in Deutschland rund 82 Millionen Menschen leben. Experten schätzen, dass es tatsächlich etwa 1 Million weniger sind. Viele von ihnen dürften längst ins Ausland verzogen sein. ULRIKE HERRMANN