Einzelkämpfer ohne Lobby

Die Zahl der Selbstständigen und Freiberufler steigt, doch innerhalb der Gewerkschaften haben sie immer noch einen schweren Stand. Ver.di hat immerhin die Firma Mediafon gegründet, die per Telefonhotline eine umfassende Beratung anbietet

VON SABINE SCHRADER

Dass die Zahl der Freiberufler wächst, ist unstrittig. Mittlerweile ist für viele ein Berufseinstieg nach dem Studium nur über eine freie Mitarbeit möglich. Das gilt besonders für die Kultur- und Medienberufe. Selbstständige, die sich als Einzelkämpfer auf dem Markt behaupten müssen, kommen meist nicht auf die Idee, sich bei einer Gewerkschaft Unterstützung zu holen.

So ging es auch Chavva Karagüzel, als sie sich Anfang des Jahres als freie Texterin, Lektorin und Übersetzerin selbstständig machte: „Gewerkschaft und Selbstständige habe ich nicht miteinander in Verbindung gebracht“, sagt sie. Bei ihrer Existenzgründung sah sich die Ich-AGlerin einer kaum zu bewältigenden Fülle an Informationen gegenüber. Durch Zufall entdeckte sie den Selbstständigen-Service von Ver.di. Was sie als Information für den Sprung in die Freiberuflichkeit brauchte, konnte sie dort wohl sortiert abrufen. „Ohne das wäre ich wahrscheinlich verzweifelt.“

Auch Barbara Maria Zollner, die seit sechs Jahren als freiberufliche PR-Beraterin tätig ist, hat auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit Fortbildungsangebote der Gewerkschaft genutzt: „Es wird Know-how vermittelt, das gleichfalls zum beruflichen Standing beiträgt.“ Viele kommerzielle Angebote seien für EinzelkämpferInnen dagegen gar nicht finanzierbar, so Zollner.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di übernahm bei ihrer Gründung einen hohen Anteil Selbstständiger aus den IG Medien. Inzwischen ist deren Zahl innerhalb der Organisation auf über 30.000 angewachsen. Die Klientel ist nicht nur auf klassische Medienberufe beschränkt, auch Dozenten oder IT-Fachleute zählen dazu. Für die Gruppe der Solo-Selbstständigen wurde mit der gewerkschaftseigenen Firma Mediafon ein flächendeckendes Beratungsangebot geschaffen. Per Telefonhotline wird Ratsuchenden Kontakt zu einem fachkundigen Kollegen vermittelt, der Fragen zur Sozialversicherung, zu Verträgen, Honoraren und allem, was Freien und Selbstständigen sonst noch unter den Nägeln brennt, beantworten kann. Eine Honorardatenbank im Internet gibt Auskunft über marktgerechte Preise, ein Newsletter versorgt die Freelancer mit aktuellen Infos.

Ziele von Festen und Freien unterscheiden sich zumeist: „Wer als selbstständiger IT-Fachmann in ein Gremium kommt, in dem seit Jahren nur fest angestellte Kolleginnen und Kollegen sitzen, wird sicher Schwierigkeiten haben, dort seine speziellen Anliegen durchzusetzen“, sagt Mediafon-Geschäftsführer und Ver.di-Selbstständigen-Referent Gunter Haake. Während die einen ein Forderungspaket zu den Tarifen auf den Weg bringen wollen, geht es dem Freelancer um seine Honorarsituation. „Er wird sich in den besonderen Gremien der Selbstständigen zusammen mit anderen Freien aus verschiedensten Berufen besser aufgehoben fühlen.“ Die Selbstständigenarbeit bewege sich daher nicht in den üblichen, von Tarifpolitik dominierten Branchenstrukturen, so Haake.

Schwerpunkt der politischen Lobbyarbeit ist laut Haake die soziale Sicherung. Besonders hart trifft es die Dozenten. Nachdem viele durch die Streichungen im Weiterbildungsbereich ihre festen Jobs eingebüßt haben, arbeiten sie nun als Honorarkräfte zu Stundensätzen, die oft kaum mehr als 10 Euro betragen. Der magere Umsatz steht in keinem Verhältnis zu dem, was sie als Beitrag etwa zur Krankenversicherung berappen müssen. Die grundsätzliche gewerkschaftliche Forderung lautet daher: Langfristig sollen Auftraggeber nicht nur ein Honorar zahlen, sondern sich auch an der Sozialversicherung von Freelancern beteiligen. Bis dies erreicht ist, könnten nach Einschätzung von Haake noch Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte vergehen. „Insgesamt kümmern sich die Gewerkschaften noch nicht in dem Maße um Menschen, die sich außerhalb des Normalarbeitsverhältnisses befinden, wie es eigentlich notwendig wäre“, räumt er ein. Ver.di sei hier aber am weitesten fortgeschritten.

Trotzdem: Auch innerhalb der Mammutgewerkschaft muss das Selbstständigen-Referat bisweilen noch reichlich „baggern“, damit die Belange von Freien und Selbstständigen in den Blick geraten, deren Anteil 1,5 Prozent ausmacht. Sie fänden in der Großorganisation jedoch ein sehr schlagkräftiges berufliches und berufspolitisches Instrument, so Haake. Wunschlos glücklich ist Barbara Maria Zollner als „Betroffene“ mit der Arbeit der Gewerkschaft jedoch noch nicht: „Zwar trägt die Vernetzung dazu bei, die Vereinzelung aufzubrechen.“ Auf diese Weise werde die Position gegenüber den Auftraggebern gestärkt. Entwicklungsbedarf sieht sie dennoch, etwa beim Angebot an Weiterbildungen. „Auch die negativen Auswirkungen von Gesetzen und Regelungen für Freie und Selbstständige sollten noch deutlicher dargestellt und die Lobbyarbeit verstärkt werden.“

Mediafon: (0 18 05) 75 44 44, info@mediafon.net, für Ver.di-Mitglieder ist die Beratung kostenlos.