BOHRMASCHINEN
: Zehn nach sieben

Die beiden starren still und mit großen Augen aus dem Fenster

Ein schrilles Brummgeräusch schleicht sich in meine Träume und ruft Bilder von gewaltigen Zahnarztbohrern hervor. Erschrocken wache ich auf und stelle fest, dass das Brummen einem gewöhnlichen Schlagbohrer entspringt, der sich durch meine Schlafzimmerwand zu fressen scheint.

Das Geräusch von Schlagbohrern ist mir nicht fremd: Nachdem im Frühjahr mein Hinterhaus und im Sommer das Haus schräg gegenüber saniert wurden, kam im Herbst von der Baustelle links Lärm und Dreck. Jetzt scheint also auch das Haus rechts dem Sanierungswahn zum Opfer gefallen zu sein.

Der Blick auf die Uhr sagt mir, dass es zehn nach sieben ist. An Schlaf ist jetzt nicht mehr zu denken, das Bohrmaschinengebrüll scheint richtig in Fahrt zu kommen. Schlaftrunken quäle ich mich aus dem Bett. Wenn ich schon mal wach bin, kann ich eigentlich auch zur Uni fahren und einmal im Leben einen guten Platz in der Bibliothek bekommen, denke ich. Auf dem Weg die Kopenhagener Straße entlang muss ich zweimal die Straßenseite wechseln, weil Baugerüste und Schuttcontainer den Gehweg versperren. In der ganzen Straße gibt es nur noch zwei oder drei graubraune Häuser, die zwischen all den pastellfarbenen Fassaden sofort ins Auge fallen. Vielleicht ist ja bis Ende des Jahres alles durchsaniert, denke ich, dann ist endlich Ruhe.

An der Schönhauser Allee steige ich in die M1, neben mir sitzt ein älteres Paar in grauen Mänteln. Die beiden starren still und mit großen Augen aus dem Fenster, der Herr knetet nervös seinen Hut in den Händen. Kurz nachdem wir die Eberswalder Straße passiert haben und erneut an einer Baustelle vorbeifahren, hört der Mann endlich auf, seinen Hut zu kneten, und richtet das Wort an die Frau: „Guck mal an, Marianne, jetzt wird vereinzelt sogar schon in Prenzlauer Berg restauriert.“

SARAH HANNS