Polnisches Tauwetter in Berlin

Wo einst ein rechtes „Zentrum des polnischen Martyriums“ entstehen sollte, forschen nun liberale Historiker. Die neue Einrichtung geht auf Distanz zur nationalistischen Regierung in Warschau

von UWE RADA

So schnell ändern sich die Zeiten: Noch zu Beginn des Jahres haben polnische Nationalisten vorgeschlagen, auf dem Gelände der ehemaligen polnischen Botschaft der DDR am Pankower Majakowskiring ein „Zentrum des polnischen Martyriums“ zu errichten. Nun entsteht dort ein polnisches „Zentrum für Historische Forschung“. Dessen neuer Leiter, der Historiker Robert Traba, hat am Wochenende zum Tag der offenen Tür geladen.

„Unser Ziel ist es, eigene Forschungsprojekte zur deutsch-polnischen Beziehungsgeschichte durchzuführen“, versicherte Traba am Samstag bei der Eröffnungsfeier. Ganz vorn auf der Agenda des Historikers steht die polnische Immigration nach Berlin. Ab Herbst werden regelmäßig fünf Wissenschaftler am neuen Zentrum forschen. Darüber hinaus vergibt das „Zentrum für Historische Forschung“ auch Stipendien. Ausdrücklich wünscht sich Traba „die Zusammenarbeit mit Berliner Akteuren und Institutionen“.

Robert Traba ist in Deutschland kein Unbekannter. Im masurischen Olsztyn (Allenstein), wo er die Kulturzeitschrift Borussia herausgegeben hat, hat sich der 48-Jährige vor allem um die Bewahrung des preußischen kulturellen Erbes bemüht. Dafür hat Traba im Jahr 2003 von den damaligen Außenministern Joschka Fischer und Włodzimierz Cimoszewicz auch den „deutsch-polnischen Preis“ bekommen.

Damit verkörpert Robert Traba das genaue Gegenteil der antideutschen Geschichtspolitik, die vor allem die rechtsextreme polnische Regierungspartei „Liga polnischer Familien“ mit einem Martyriumszentrum in Berlin verfolgt hatte.

Um auch finanziell unabhängig von der politischen Wetterlage in Warschau zu sein, wird das „Zentrum für Historische Forschung“ zum größten Teil von der Polnischen Akademie der Wissenschaften finanziert. „Das gibt uns die Möglichkeit, unser Programm autonom zu gestalten“, so Traba. Zum Vergleich: Das Polnische Kulturinstitut in der Burgstraße muss sein Programm regelmäßig vom Außenministerium in Warschau absegnen lassen, dem es auch organisatorisch untersteht.

So geht also vom polnischen Berlin einmal mehr eine Politik des Tauwetters aus. Unterstrichen wurde sie am Wochenende durch die Anwesenheit des designierten polnischen Botschafters in der Bundesrepublik Deutschland, Marek Prawda.

Der Soziologe Marek Prawda, der im Oktober die Nachfolge des abberufenen Andrzej Byrt antreten wird, kommt wie Robert Traba auch aus der jungen Wissenschaftlergeneration, die seit der Wende eng mit deutschen Kollegen zusammenarbeit. Und wie Traba ist auch er des Nationalismus und Populismus unverdächtig.