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: Die Barhockerfrage: Rassismus oder feinsinnige Ironie?

Live-Konferenz in der Kneipe, ein französischer Asylbewerber aus Serbien und ein jubelpersischer Bigamist

Nach diesem fünften Spieltag musste ich mal wieder im sportlichen Pendant zum Goldenen Blatt, dem Kicker, nach Infos fahnden, die in der Mist-Fernsehkonferenz einfach keinen Platz haben, weil ja jedes Mal weggeschaltet wird, sobald es irgendwo spannend wird, um woanders nach eventuell noch mehr Spannung zu gucken. Wobei dies am letzten Samstag auch noch prinzipiell schwierig war, denn richtig spannend schien es eigentlich nur in Hamburg zu sein.

Normalerweise geht mir der HSV ziemlich an meinem durchtrainierten Spielerhintern vorbei, aber sensibilisiert durch die letzten Anti-Rassismus-Maßnahmen des DFB horchte ich auf, als in der Nachbarkneipe, die die Konferenz zeigt und TROTZDEM gleichzeitig für müde Fußballfans auf Bierentzug die laute Kaffeemaschine bedient, bei Ljubojas hübschem, aber erfolglosem Torversuch in der 23. Minute jemand schrie: „Asylantrag zerreißen!“ Ist das jetzt schon blanker Rassismus oder ganz scharfe, feinsinnige Ironie?

Ljuboja hätte ich mir jedenfalls gern die ganze Zeit angeguckt, später recherchierte ich, dass der Serbe, der gleichzeitig auch Franzose ist (was die Spitze mit dem Asylantrag irgendwie auch wieder entschärft, denn seit wann haben Franzosen eigentlich so große Schwierigkeiten, nach Deutschland einzureisen?) in dem Spiel gegen die Bremer anscheinend einige hübsche Chancen hatte, und was mussten wir vor unseren Kaffees und Bieren gucken? Bayern München gegen Aachen, puha.

Wir verpassten also die Schnapsfläschchen, die von den Rängen in Hamburg aufs Spielfeld segelten, durften aber glücklicherweise nach dem 1:0 für Bremen das schöne Ausgleichstor von Bastian Reinhardt sehen, und der latent rassistische, vielleicht aber auch ganz subversiv ironische Schreihals fünf Barhocker hinter mir grölte bei der roten Karte, die Mehdi Mahdavikia nach einem Foulspiel an Diego vor der Nase herumwedelte, „Ahh, der Jubelperser, der Bigamist!!“, und eine Frau neben ihm setzte hinterher: „Das ist ein ganz ekeliges Ferkel.“ Damit meinte sie den Iraner, nicht den Schreihals, und man muss wiederum klarstellen: Der Perser ist sowohl Iraner als auch Bigamist, aber da das Hochzeiten mehrerer Frauen dort nicht verboten ist, müsste man mindestens die Ferkelbezeichnung zurücknehmen, wie ich natürlich gleich wild nachrecherchierte, allerdings nicht im Kicker (der ist dann doch nicht Goldenes-Blatt-affin genug), sondern im Netz. Was nach der immerhin anständig ausgegangenen Schalke-gegen-Wolfsburg-Partie wieder in den Umkleidekabinen an Gepetze und Gehetze abging, wird man dafür bestimmt nur in den einschlägigen Boulevardblättern finden.

Elendes Live-Konferenzgucken eben: Das Schönste verpasst man immer. JENNI ZYLKA