Schwarz-Gelb kratzt und boxt

Von „Plaudertaschen“ und „Verweigerern“: Warum die CDU und FDP den Kampf um die NRW-Gemeindereform nicht beenden kann und die SPD einen „handfesten Koalitionsknatsch“ wittert

VON MARTIN TEIGELER

Die Novelle der NRW-Gemeindeordnung ist eigentlich kein gutes Smalltalk-Thema für ein Sommerfest. Doch bei der traditionellen Party in der Berliner Landesvertretung war das umstrittene Vorhaben der schwarz-gelben NRW-Koalition zwischen Häppchen, Pilsbier und britischer Bigbandmusik in aller Munde. CDU und FDP können sich einfach nicht einigen, wie lange die NRW-Bürgermeister amtieren sollen – da gab es im Berliner Diplomatenviertel Tiergarten vergangene Woche bis in die Nacht noch viel zu besprechen.

Seit der Münsteraner CDU-Landesparteitag vor zehn Tagen mit großer Mehrheit beschlossen hatte, die im schwarz-gelben Koalitionsvertrag geplante Entkopplung von Bürgermeister- und Ratswahlen auf zwei getrennte Wahltermine zu kippen, sinkt die Stimmung in der vermeintlichen Gute-Laune-Koalition. Zwar betonte FDP-Landeschef Andreas Pinkwart gestern, Nordrhein-Westfalen mit seiner schwarz-gelben Regierung bleibe die „Blaupause“ für Berlin. Doch das war als Meinungsbeitrag in der aktuellen Mode-Debatte um eine mögliche Ampelkoalition auf Bundesebene gedacht.

Als Zustandsbeschreibung für das Düsseldorfer Regierungsmodell taugt derzeit eher das Wort „Pause“ statt „Blaupause“. Es geschieht nichts in Sachen Gemeindereform. Dafür wird umso mehr geredet. Am liebsten übereinander. Laut Medienberichten wurde FDP-Fraktionschef Gerhard Papke von der CDU angeblich als „Plaudertasche“ diffamiert, weil er Details zu den koalitionsinternen Nachverhandlungen zur Gemeindereform gestreut haben soll. CDU-Fraktionschef Helmut Stahl habe „die ausgestreckte Hand der FDP zurückgewiesen“, lästern im Gegenzug Liberale in der Presse. Stahl und Papke hatten in einem Vier-Augen-Gespräch keine Einigung im Koalitionsstreit erzielen können. Gegenseitig werfen sich die Koalitionäre Kommunikationsfehler und taktische Pannen vor. Die CDU hätte ihren Landesparteitag besser managen müssen, heißt es am Rande des kleinen FDP-Parteitags in Soest am vergangenen Samstag. Die Liberalen hätten vor dem CDU-Kongress weniger bestimmend auftreten sollen, kontern Christdemokraten. So sei der massive Widerstand aus den CDU-Kreisverbänden provoziert worden.

Es ist ein Kleinkrieg wie ihn das vor gut einem Jahr formierte Politbündnis aus CDU und FDP bislang noch nicht erlebt hat. Aus dem Randthema für Kommunalpolitiker ist längst ein „handfester Koalitionsknatsch“ geworden, sagt SPD-Fraktionsvize Ralf Jäger. Es gehe nicht mehr um die Sache, sondern nur noch um Machtspiele und „emotionale Umgangsformen“. Teile der FDP wollen die Aufspaltung der Kommunalwahlen offenbar durchsetzen, weil sie auf sinkende Wahlbeteiligungen hoffen und so ihre Chancen steigen sehen, so der grüne Landtagsabgeordnete Horst Becker. Er hofft aber weiter, dass sich die „lokalpolitischen Pragmatiker“ in beiden Regierungsfraktionen durchsetzen und es nicht zu einer Entkopplung der Wahlen kommt.

Angeblich soll sich auf Bitten der von CDU-Fraktionschef Stahl enttäuschten FDP bald auch Ministerpräsident Jürgen Rüttgers in die Koalitionsgespräche einschalten. „Wenden Sie sich an die Fraktionen“, wehrt ein Staatskanzleisprecher gestern Fragen zum Engagement des Regierungschefs ab. In CDU-Landtagskreisen wird lediglich angedeutet, dass nun erst einmal auf Ebene der Fachpolitiker weiter verhandelt werden soll. Eine FDP-Sprecherin „weiß davon nichts“. Ein möglicher Kompromiss? Die FDP akzeptiert, dass Bürgermeister- und Ratswahlen weiter am gleichen Tag stattfinden und bekommt eine symbolische Kompensation, etwa ein Verbot der wirtschaftlichen Betätigung von Kommunen. Doch dagegen haben CDU-Provinzfürsten schon vorsorglich Widerstand angekündigt.