Schillernd zwischen Mensch und Tier

ERWACHSENENMÄRCHEN Mit seinem späten Musiktheaterstück „Das schlaue Füchslein“ inszeniert die Hamburgische Staatsoper ein weiteres Mal auf bemerkenswerte Weise den Komponisten Leóš Janáček

Am Ende steht der Förster in seinem Wald und begreift, was Glück ist

Leóš Janáček war ein gründlicher Mann. Als der Komponist entschieden hatte, eine Tier-Novelle in eine Oper zu verwandeln, skizzierte er noch intensiver Naturlaute. Doch „Das schlaue Füchslein“ ist kein „Brehms Tierleben“ fürs Musiktheater, vielmehr eine Meditation über den ewigen Kreislauf des Lebens. Das wird gerade in der Hamburger Neuinszenierung von Johannes Erath deutlich: Am Ende steht der Förster, alt und grau, in seinem Wald und begreift, was Glück ist: das Leben selbst in all seinen auch trüben Facetten.

Erath macht den Förster (Lauri Vasar) zur zentralen Gestalt und lässt ihn, abweichend vom Textbuch, am Ende sterben. So zeigt der Regisseur, wie sehr er in dem Förster ein Alter Ego Janáčeks selbst sieht: Hatte der Komponist sich doch gewünscht, der Schlussmonolog des Försters möge auf seiner eigenen Beerdigung erklingen. Überhaupt sieht man den Förster, wenn er nicht gerade mit seinen Freunden in der Dorfkneipe sitzt, immer wieder als Künstler dargestellt: Er schreibt, er komponiert.

Erath bezeichnet Janáčeks Alterswerk als „zeitlose Fabel für Erwachsene“, in der es „um das Älterwerden geht, um die Konfrontation mit dem Tod und dem Wiederauferstehen durch Kinder“. Der verheiratete Förster ist in die Füchsin verliebt und hält sie gefangen. Sie flieht in den Wald, gründet eine Familie, wird erschossen und lebt weiter – in ihren Kindern.

In der Hamburger Neuproduktion changiert das Füchslein (Hayoung Lee) wie fast alle Figuren zwischen Tier- und Mensch-Sein. So lugt auch beim Pfarrer ein Schweif aus der Tasche, mutet der Haushund an wie eine dauerbetrunkene Barsängerin. Diese schillernden Mensch-Tier-Wechselbezüge könnten allerdings verwirrend sein für alle, die sich nicht so detailliert mit der Handlung beschäftigt haben.

Der Tscheche Janáček ist berühmt dafür, wie er den Sprachduktus seiner Heimat, die lachische Mundart, in Klängen eingefangen hat. Das geschieht so feinsinnig, dass er psychische Regungen seismographisch einfangen konnte. Im „schlauen Füchslein“ bekommen so auch die Tiere musikalisch viel Persönlichkeit und ein reiches Gefühlsleben. Um 1900 brachte der Komponist eine neue Seelenmusik in die Opernhäuser, seit den 1970er-Jahren gehören seine Stücke international zu den Säulen des Musiktheater-Repertoires.

In Hamburg hat es in den vergangenen beiden Jahrzehnten eindrückliche Produktionen gegeben, 1998 „Jenufa“ in der Regie von Olivier Tambosi und 2002 „Katja Kabanova“, gedeutet von Willy Decker. Die „Füchslein“-Neuproduktion setzt diese fabelhafte Tradition fort. Dank Lawrence Foster am Pult der Philharmoniker entfaltet sich der besondere Janáček-Sog, dem man sich gar nicht entziehen möchte. Die vielen Rollen sind stimmig aus dem Ensemble besetzt. Doch so engagiert sich alle in die liebevoll durchdachte Inszenierung einbringen – am Premierenabend wirkte es, als wäre weitere Reifezeit notwendig, um Janáčeks ausgeklügelte Musik und seine phonetisch trickreichen Gesangslinien noch selbstverständlicher über die Rampe zu bringen. DAGMAR PENZLIN

Nächste Aufführungen: 29. 3., 5. 4., 19.30 Uhr, Hamburg, Staatsoper