Werften sind wohlauf

22. internationale Schiffbaumesse bricht Rekorde. Nach Ansicht des deutschen Branchenverbandes reicht der derzeitige Nachfrage-Boom aber noch nicht, um sich für künftige härtere Zeiten zu rüsten

Von BJÖRN BENDIG
und GERNOT KNÖDLER

Die norddeutschen Werften haben ausnahmsweise wenig Sorgen. Sie profitieren von der weltweit stark gestiegenen Nachfrage nach Handelsschiffen, wie sie sich in der 22. internationalen Schiffbaumesse SSM – für „Shipbuilding, Machinery & Marine Technology“ – in Hamburg niederschlägt. Bis zum 29. September präsentieren sich hier 1.669 Unternehmen aus 50 Ländern auf einer Ausstellungsfläche von knapp 75.000 Quadratmetern – 5.000 Quadratmeter mehr als beim letzten Mal vor zwei Jahren.

Noch nie hatten die Schiffbauer und Ausrüster weltweit derart viele Aufträge in ihren Büchern stehen wie heute. Wie aus einer Studie des Brancheninformationsdienstes Clarksen Research Services hervorgeht, sind die Werften und Fabriken für die nächsten drei Jahre ausgelastet. Am 1. August betrug der weltweite Auftragsbestand demnach 5.386 Schiffe mit einem Wert von rund 265 Milliarden US-Dollar.

Auch für den deutschen Schiffbau ist die Lage sehr gut. „In- und ausländische Auftraggeber haben per August 210 Schiffe im Wert von 11,6 Milliarden Euro bei deutschen Werften bestellt“, sagt Ingmar Loges, Leiter des Schiffsfinanzierers HypoVereinsbank Global Shipping. Nach Angaben des Verbandes für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) verzeichneten die deutschen Seeschiffswerften allein im ersten Halbjahr 2006 Auftragseingänge für 33 Schiffe im Wert von 2,1 Milliarden Dollar. „Die Rekordzahlen von 2005 werden damit wohl nicht mehr erreicht“, sagt VSM-Hauptgeschäftsführer Werner Lundt. Gemessen an der Produktion und am Auftragsbestand bleibe Deutschland aber die viertgrößte Schiffbaunation der Welt (siehe Kasten).

Die derzeit gute Auftragslage ändert nach Einschätzung Lundts nichts an den grundsätzlichen Problemen der Branche. „Der Auftragsbestand ist zwar super“, sagt der Verbandsgeschäftsführer, „der Erlös reicht aber nicht, um Speck anzusetzen.“ Mit den Schiffspreisen seien auch die Rohstoffpreise stark gestiegen. Unterm Strich bleibe daher wenig übrig, um Reserven zu bilden und die nötigen Investitionen zu finanzieren. „Europas Werftindustrie steht und fällt mit der Möglichkeit zu investieren“, sagt Lundt. Nur mit Innovationen und Automatisierung lasse sich der Wettbewerb mit den Anbietern aus Fernost bestehen.

Die Werften müssten deshalb mehr in ihre Beschäftigten investieren, fordert Heino Bade, Schiffbauexperte von der IG Metall Küste. „Zwischen 30 und 40 Prozent der Arbeiter an deutschen Werften sind Leiharbeiter“. Damit gebe es vor dem Hintergrund der „einmalig guten Situation“ nicht genügend feste Mitarbeiter. „Wir benötigen mittelfristig mehr qualifizierte Facharbeiter und Ingenieure“, so Bade.

Werftensprecher Lundt macht eine mögliche Änderung der Unternehmensbesteuerung Sorgen: Zum Ausgleich für eine Entlastung bei der Körperschaftssteuer plane der Bundesfinanzminister, Sollzinsen zu besteuern. Das würde die Werften, die wegen der nötigen Zwischenfinanzierung für ihre Schiffsbauten einen besonders hohen Kreditbedarf hätten, über Gebühr treffen, warnt er.