Und immer wieder sind es dieselben Lieder

BENGALOS Wenn Hardcorefans mit Band-Shirt und Campino-Gedächtnis-Frisur den Kinosaal bevölkern: Die bandeigene Konzertdoku der Toten Hosen feierte in Berlin Premiere. Angeheitert wär’s ideal gewesen

„Macht es einfach wie sonst auch, geht noch mal kurz vor die Tür, trinkt zwei, drei Bier und genießt die Show!“, empfahl Campino, Sänger der Toten Hosen, kurz vor der Berlin-Premiere der bandeigenen Konzertdoku. Erst später stellte sich heraus, dass dieser Rat weiser war als zunächst angenommen.

Der Regisseur Paul Dugdale, unter anderem verantwortlich für den Rolling-Stones-Film „Sweet Summer Sun – Hyde Park Live“, der die triumphale Rückkehr der Band in den Hyde Park in London im Jahre 2013 zeigte, durfte noch ein paar nette Worte sagen und wurde in der Folge von dem Drummer der Band mit „Er ist ein Schleimer und jetzt guckt euch den Film an“ übersetzt. Warum die Premiere ausgerechnet in Berlin, also quasi der Diaspora, stattfindet, wo doch sowohl die Band als auch die Aufnahmen aus Düsseldorf stammen, wurde auch noch erklärt. „Wir haben so viele Freunde hier, denen wollten wir das nicht vorenthalten.“ Außerdem, so versichert man, wird es auch noch eine Premiere in Düsseldorf geben.

Die Frotzeleien gegenüber der Wahlheimat kann man sich dann trotzdem nicht verkneifen, weder vor noch während des Films. Gerade die mit leichten Spannungen belegte Beziehung zwischen Hertha BSC und Fortuna Düsseldorf wird immer wieder gerne thematisiert, vor Wiederholungen schreckt die Band beileibe nicht zurück. Und da die Toten Hosen bekanntlich selber „Und immer wieder sind es dieselben Lieder“ singen und man uralte Geschichten ja auch gerne mal wieder aufwärmen kann, gilt es noch zu klären, wie es sich denn eigentlich mit der angeblichen Berliner Konkurrenzband Die Ärzte verhält. „Das Verhältnis war schon mal bedeutend schlechter, inzwischen ist es also gut“, sagt Campino dazu und okkupiert im Film gleich mal den größten Hit der Konkurrenz, „Schrei nach Liebe“, eine durchaus clevere Taktik, embedded friendship quasi. Doch als die ersten drei, vier Songs über die Leinwand geflimmert sind, begleitet von den üblichen Bildern der Fahnen schwenkenden und Bengalos zündenden Fans, da beschleicht einen so langsam das Gefühl, dass Campino mit seiner Biertaktik recht haben könnte.

Ein Tote-Hosen-Konzert, das funktioniert zwar nicht nur alkoholisiert, aber eben definitiv nicht ohne sich in der Masse der Fans zu bewegen, im Idealfall eben doch leicht angeheitert. Und so stellt sich spätestens nach dem fünften Titel eine gewisse Gleichgültigkeit ein, gerade wenn man schon mehr Konzerte der Düsseldorfer besucht hat, als man es an zwei Händen abzählen kann.

Für die absoluten Hardcorefans, die auch dieses Mal wieder mit Band-Shirt und Campino-Gedächtnis-Frisur den Kinosaal bevölkern, scheint dies nicht zu gelten, sie singen mit und versuchen sich in rhythmischen Gymnastikübungen, aber irgendwie fehlen bei so einem Hosen-Gig die verschiedenen Stimmungslagen, zwei Stunden mitgrölbare Texte und einpeitschende Refrains reichen eben nicht aus, zumindest nicht, wenn man im Kinosessel sitzt. Und so gehört es dann auch zu den absoluten Highlights, wenn die Band ein 15-jähriges Mädchen auf die Konzertbühne holt und diese schief und krumm „Ich will nicht ins Paradies, wenn der Weg dorthin so schwierig ist“ singen lässt.

JURI STERNBURG