der homosexuelle mann … von ELMAR KRAUSHAAR
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… als Kanzler? Das ist eine Frage, die nach Klaus Wowereits Wahlsieg in Berlin die Medien beschäftigt. „Wird Wowi der 1. schwule Kanzler?“, fragt Bild schlagzeilengroß und lässt online darüber abstimmen. Die virtuelle Nation ist gespalten, 51% sind dafür, 49 % dagegen. Aber Bild wäre nicht Bild, würde sie das scheinbar Unvoreingenommene nicht gleich auch wieder hintertreiben. Als einen, „der es wissen muss“, lassen sie den Frisör Udo Walz zu Wort gekommen, der einzig darauf bedacht ist, alle Bonuspunkte einzuheimsen, die eine heterosexuelle Öffentlichkeit an einen Homo zu vergeben hat, um gleichzeitig alle anderen Schwulen in die Pfanne zu hauen. Gegen einen Homokanzler ist er, und das Wort „schwul“ mag er nicht: „Das hat immer so einen vulgären Touch. Die meisten denken dann gleich an Darkrooms und Analverkehr.“ Und küssende Männer gehören auch nicht auf die Straße!, sagt Walz, der nach eigenem Bekunden das „große Glück“ hat, ein „sehr maskuliner Mann“ zu sein und seit elf Jahren befreundet ist. So reden die homosexuellen Saubermänner, die nicht homosexuell sein wollen.

Die Berliner Zeitung lässt ihre Homofeindin weniger stammtischkompatibel im Feuilleton zu Wort kommen, just einen Tag nachdem ein strahlender Wahlsieger Wowereit mit seinem Freund Jörn Kubicki im Arm die halbe Titelseite schmückte. Als ob sie so viel selbstverständlichen Umgang mit Homosexuellen nicht ertragen könne, muss Kulturredakteurin Birgit Walter dagegen halten und unterzieht Wowereits inzwischen legendären Coming-out-Satz einer erneuten Revision. „Schwachsinnig“ sei der Spruch damals gewesen, „in einem anderen Zusammenhang durchaus rassistisch“. Schwachsinn? Rassistisch? So schießt man mit Kanonen auf Spatzen, aber damit nicht genug: „Wowereit behauptet, dass es gut ist, schwul zu sein. Und was ist dann schlecht? Ist es schlecht, ein Hetero zu sein?“

Keine Angst, Frau Walter! Keiner stellt diese Frage. Es ist gut, hetero zu sein, schauen Sie sich doch bloß mal um: Ihre Art der Ehe ist und bleibt privilegiert, Ihre Lebensform ist zentraler Inhalt jeder Werbung, eines jeden Kinofilms, in jedem Popsong und in jeder Arie, in jedem guten und in jedem schlechten Buch. Sie können hingucken, wohin Sie wollen, Sie und ihresgleichen sind die Nummer eins, die Norm, die Regel, die Besten. Und wenn Sie es immer noch nicht begriffen haben, betrachten Sie doch noch einmal das Finale Ihres Kommentars: „Klaus Wowereit und sein Freund sind schwul. Das ist nicht gut oder schlecht. Nicht richtig oder falsch. Das ist einfach so.“ Und ersetzen jetzt das „schwul“ durch „hetero“ und machen aus dem Freund eine Freundin. Na, wie würde sich das anhören? Richtig! Eine solche Formulierung wäre lächerlich, weil banal und würde so nie geschrieben werden. That’s the difference, stupid!

Ein schwuler Kanzler? Warum eigentlich nicht?! Oder würde der die Würde des Amts beschädigen? Oder gar das Ansehen des Landes? Oder sind die Menschen einfach noch nicht so weit, sie täglich aufs Neue mit alten Klischees und Vorurteilen zu konfrontieren?

Und überhaupt: Wer sagt eigentlich, dass Wowereit der erste schwule Kanzler wäre?