Wer acht Jahre hier gelebt hat, darf beide Pässe behalten

DOPPELPASS Koalition einigt sich auf Kompromiss zur Mehrstaatlichkeit von Migrantenkindern

Der Gesetzentwurf soll schnell ins Kabinett, um noch in diesem Jahr in Kraft zu treten

BERLIN taz | Nach mehrwöchigem Streit hat sich die Große Koalition jetzt auf einen Gesetzentwurf zur doppelten Staatsangehörigkeit geeinigt. Wie Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) am Donnerstag mitteilten, sollen sich Einwandererkinder, die seit ihrer Geburt neben der deutschen auch die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern besitzen, demnach nicht mehr zwischen den Pässen entscheiden müssen, wenn sie mindestens acht Jahre in Deutschland gelebt haben.

Der Zwang, sich zwischen zwei Pässen zu entscheiden, fällt auch dann weg, wenn sie sechs Jahre in Deutschland die Schule besucht haben oder einen deutschen Schul- oder Ausbildungsabschluss haben. Bisher mussten sich Einwandererkinder spätestens mit 23 entscheiden, welchen Pass sie behalten wollten – den deutschen oder den ihrer Eltern.

Zwar hatten sich SPD und Union schon im Koalitionsvertrag darauf geeinigt hatten, diese „Optionspflicht“ für in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder ausländischer Eltern abzuschaffen. Doch die Frage, wie das Wort „aufgewachsen“ definiert werden soll, sorgte dann zwischen Union und SPD weiterhin für Streit.

Der neue Kompromiss zwischen SPD und Union setzt die Hürden wesentlich niedriger an als ursprünglich von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) vorgesehen. Der hatte in einem ersten Entwurf eine Aufenthaltsdauer von mindestens zwölf Jahren zur Bedingung machen wollte. Die SPD lehnte dies als zu bürokratisch ab.

Nun sollen die Behörden beim 21. Geburtstag der Betroffenen von Amts wegen prüfen, ob die Bedingungen für den Doppelpass vorliegen. Geht aus dem Melderegister hervor vor, dass ein Betroffener mindestens acht Jahre in Deutschland gelebt hat, müssen sie nichts weiter tun. Dadurch sollen die bürokratischen Hürden niedrig gehalten werden, sagte de Maizière.

Auf Antrag der Jugendlichen sollen die Behörden auch schon vor dem 21. Geburtstag prüfen können, ob sie die Voraussetzungen für die doppelte Staatsangehörigkeit erfüllen. Und nur in Zweifelsfällen muss ein Betroffener zum Beispiel anhand von Schulzeugnissen nachweisen, dass er oder sie in Deutschland aufgewachsen ist. Wer sechs Jahre lang eine Schule in Deutschland besucht hat oder über einen in Deutschland erworbenen Schulabschluss oder eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt, soll dann beide Pässe behalten können.

Der Gesetzentwurf soll jetzt schnell ins Kabinett, um noch in diesem Jahr in Kraft treten zu können. Justizminister Heiko Maas (SPD) sagte, der Kompromiss setze den Koalitionsvertrag „vernünftig“ in die Praxis um.

Im Wahlkampf hatte seine Partei allerdings gefordert, die doppelte Staatsbürgerschaft ohne Wenn und Aber zuzulassen. Andernfalls, hatte Parteichef Sigmar Gabriel getönt, werde er keinen Koalitionsvertrag unterschreiben. Doch es kam anders. Die Details der im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Kompromissformel, die sogenannte Optionspflicht für in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder von Zuwanderern abzuschaffen, waren bis zuletzt umstritten. Einwanderern aus der Türkei und vielen anderen Ländern, die nicht nach 1990 in Deutschland geboren sind, bleibt der Doppelpass im deutschen Staatsbürgerschaftsrecht weiter verwehrt. DANIEL BAX