Therapie mittels Zwang

Gesetz könnte schon entlassenen Straftätern die Freiheit kosten

STUTTGART taz | Straftäter, die jüngst aus der Sicherungsverwahrung entlassen wurden, können sich ihrer Freiheit eventuell nicht mehr lange freuen. Das von der Bundesregierung geplante Therapie- und Unterbringungsgesetz (TUG) sieht vor, dass auch bereits entlassene Personen erneut zwangsuntergebracht werden können, um Straftaten zu verhindern. Dies erklärte am Mittwochabend Thomas Dittmann, der im Bundesjustizministerium die Strafrechts-Abteilung leitet, bei einer Veranstaltung in Stuttgart.

Konkret geht es um Personen, die sich auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) berufen können. Das Straßburger Gericht hatte Ende 2009 entschieden, dass Sicherungsverwahrung nicht rückwirkend verlängert werden darf, wie dies 1998 vom Bundestag beschlossen wurde. Damals wurde die zehnjährige Frist auch für Altfälle aufgehoben und eine unbefristete Verwahrung ermöglicht.

Von diesem Urteil sind nach Informationen der taz zurzeit 122 Personen betroffen. Nach und nach kommen noch 230 weitere hinzu, die zu entlassen sind, sobald sie ihre Strafe und anschließend zehn Jahre Verwahrung abgesessen haben.

Wegen der großen Unruhe in der Bevölkerung will die Bundesregierung jedoch die Entlassung mancher dieser Straftäter mit dem neuen Gesetz verhindern. Auch für die bisher rund zwanzig bereits Entlassenen soll das TUG gelten.

Voraussetzung für eine neue Zwangsunterbringung soll, so Dittmann, eine „psychische Störung“ sein, die nicht das Ausmaß einer schuldausschließenden psychischen Krankheit haben muss. Hinzukommen muss die „erhebliche Gefahr“, dass weitere schwere Straftaten begangen werden. Ob die Voraussetzungen vorliegen, sollen zwei Gutachter prüfen. Anschließend soll eine mit drei Richtern besetzte Zivilkammer entscheiden. Der Beschluss ist alle 18 Monate zu überprüfen. Während der gesamten Zeit soll den Betroffenen vom Staat ein Anwalt gestellt werden.

Die Unterbringung soll außerhalb des Strafvollzugs erfolgen und vor allem medizinisch-therapeutischen Zielen dienen. Dabei sollen die Betroffenen „so wenig wie möglich in der freien Gestaltung ihres Lebens eingeschränkt werden“, so der hohe Beamte. Derzeit verhandeln noch die Rechtspolitiker von CDU/CSU und FDP über das Gesetz. CHRISTIAN RATH