Rettet auch sie aus dem Schacht!

BERGBAU Die Freude über die Befreiung der 33 Kumpel in Chile ist groß – doch sie darf nicht vergessen machen, dass Bergleute in vielen Minen der Welt unter Lebensgefahr arbeiten

VON JÜRGEN VOGT

Nach der Rettung von 33 Bergleuten aus einer verschütteten Mine hat der chilenische Präsident Sebastián Piñera gefordert, dass die Sicherheit nicht nur in den Bergwerken, sondern in allen Arbeitsbereichen verbessert werden müsse. „Ich hoffe, dass ich schon in wenigen Tagen einen neue Vereinbarung mit den chilenischen Arbeiterinnen und Arbeitern verkünden kann“, so der Präsident. Die Verantwortlichen für das Unglück würden zur Rechenschaft gezogen werden. „Vom ersten Tag an haben wir gesagt, dass dies nicht unbestraft bleiben wird.“

Am Mittwoch um 21.55 Uhr Ortszeit war der 54-jährige Schichtleiter Luis Alberto Urzúa als Letzter der 33 Bergleute aus der Rettungskapsel „Fénix 2“ gestiegen. Bei seiner Ankunft über Tage wurde er vom Präsidenten umarmt. Nach genau 22 Stunden und 39 Minuten war die Bergungsaktion der Bergleute, die seit dem 5. August in knapp 700 Meter Tiefe ausgeharrt hatten, abgeschlossen.

Die Familie des verschütteten Bergmanns Raúl Bustos hatte noch vor dessen Bergung Rechtsmittel gegen die Eigentümer der Mine, Marcelo Kemeny und Alejandro Bohn, eingelegt. Außerdem gegen Patricio Leiva, den ehemaligen Angestellten der staatlichen Minenbehörde Sernageomin, der die offizielle Genehmigung für die Wiederinbetriebnahme der Mine San José erteilt hatte. Der Betrieb der Mine wurde wegen Unfällen und Sicherheitsmängeln wiederholt eingestellt.

Die Familie will jetzt vom Gericht die Vermögenswerte der drei feststellen lassen, auf deren Basis die Betroffenen ihre Schadensersatzklagen einreichen können. „Wir wollen, dass am Vorabend der Rettung der Bergleute nicht der Mantel des Schweigens über die ausgebreitet wird, die persönlich für diese Tragödie verantwortlich sind“, so Remberto Valdés, Rechtsanwalt der Familie. Deshalb soll auch die Einsicht in die Unterlagen und Dokumente erwirkt werden, auf deren Grundlage die Aufsichtsbehörde die Betriebsgenehmigung erteilt hatte.

In Chile gibt es rund 4.000 Bergwerke, in denen Edelmetalle abgebaut werden. Die Nachfrage nach diesen Metallen ist insbesondere durch die erhöhte Nachfrage aus China in den letzten Jahren erheblich gestiegen. Die Sicherheitsstandards in den Minen Lateinamerikas sind überwiegend schlecht – ebenso wie in Russland und China, wo ebenfalls regelmäßig Bergarbeiter ums Leben kommen. Allein in Chile sind in den letzten zehn Jahren bei Unfällen 403 Bergleute getötet worden. Auch in der jetzt berühmten Mine San José sind schon Kumpel zu Tode gekommen. In Lateinamerika sterben jährlich etwa 90.000 Menschen bei Arbeitsunfällen, weltweit sind es über zwei Millionen – darunter auch viele Kinder.

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