„Damit entweiht man die Kultur nicht“

Darüber, ob man Kultur anhand ökonomischer Kriterien bewerten soll und ob dies das erhoffte Renommee bringt, lässt sich trefflich streiten. Ein Gespräch mit Ulrich Fuchs, Mitglied des Kulturhauptstadtteams Bremen

taz: Herr Fuchs, Hamburg bekommt seinen ersten Kulturwirtschaftsbericht – ist das ein guter Tag für die Kultur?

Ulrich Fuchs: Ja. Durch solche Untersuchungen, wie sie jetzt allenthalben angestellt werden, ist der Stellenwert von Kultur auch als Arbeitsplatz- und Kreativfaktor empirisch nachprüfbarer als bisher.

Kritiker wenden ein, dass Kultur ihrer Essenz nach das „Andere“ der Ökonomie und, ökonomisch betrachtet, eine austauschbare Ressource unter anderen sei.

Das halte ich für eine falsche Betrachtungsweise. Ich glaube nicht, dass man Kultur entweiht, wenn man sie auch auf den kulturwirtschaftlichen Faktor bezüglich Arbeitsplätze bezieht. Daneben muss man aber auch nach der Kultur als Faktor in der Stadtentwicklung sehen, auf Werteentwicklung und auf Kreativität.

In Bremen hat man, sobald klar war, dass der Titel „Kulturhauptstadt“ und die angestrebte Touristenzahl nicht käme, jedes Nachfolgeprojekt abgeblasen. Auch damals hatten Sie mit Kultur als Motor der Stadtentwicklung argumentiert.

Das ist eine dramatische Entwicklung der Bremer Kulturpolitik entgegen allen Verlautbarungen während des Bewerbungsprozesses.

Wo gelingt der Spagat zwischen einer Betrachtung von Kultur als Tourismusvehikel und dem schwer fassbaren Begriff der Stadtentwicklung und Kreativität?

Graz, zum Beispiel, Kulturhauptstadt von 2003, hat begleitend eine Studie anfertigen lassen, die bei den messbaren Effekten wie Arbeitsplätzen, Übernachtungen und dergleichen sehr eindeutig ist. Andererseits beschreibt sie, was an Imagewandel und nachhaltigen Investitionen stattgefunden hat. Aber viele dieser nicht messbaren Faktoren lassen sich nur über einen längeren Zeitraum ermitteln.

Skeptiker fürchten, dass bei dieser Betrachtungsweise die kleinen Einrichtungen, die Touristenmagnet nicht sein können, hinten runterfallen. So wie die Off-Theater in der Hamburger Studie nur am Rande vorkommen.

Man muss beides in den Blick nehmen. Wenn man sich nur auf touristische Effekte bezieht, ist klar, dass bei den kleineren Einrichtungen nicht messbare Größen herauskommen. Man muss aber berücksichtigen, dass das Wirtschaftsklima einer Stadt stark davon beeinflusst wird, dass eine junge Schicht von Leuten die Chance hat, im freien Bereich von Kulturwirtschaft zu arbeiten. Interview: grä