Die Flucht vor der Bildungsnot

Eine junge Frau aus Laos kam vor zwei Jahren nach Berlin – sie wollte lernen, in Deutschland studieren und ein besseres Leben als ihre Eltern führen. Nun droht der Traum zu platzen. Nächste Woche wird sie vermutlich abgeschoben

Wenn es nach ihren Eltern ginge, wäre Chindavong Pavatxay längst verheiratet. Weil sie studieren wollte, kam die junge Frau aus Laos vor zwei Jahren nach Deutschland. Nun soll sie abgeschoben werden. Morgen verhandelt die Härtefallkommission ihren Fall. Innensenator Erhart Körting (SPD) wird kommende Woche vermutlich endgültig über ihr Schicksal entscheiden.

Pavatxay will studieren und Englischlehrerin werden. Doch in Laos war ihr der Weg zur Bildung versperrt. Ihre Mutter wünsche sich für ihre Tochter nur die Heirat, erzählt die 21-Jährige. Ihr Vater habe gesagt: „Warum willst du studieren, du bist doch nur ein Mädchen.“ Von ihrer Großmutter erfuhr sie dann, in Europa könne „jeder lernen“. Sie besorgte ihr einen Flug nach Deutschland. „Sie wollte, dass ich lernen kann.“ Mit einem Touristenvisum kam Pavatxay für sechs Monate nach Berlin. Allein musste sie sich in der Stadt zurechtfinden, eine Wohnung suchen. „Schwierig“ sei es gewesen, sagt sie knapp. Studieren konnte sie in der Zeit, bis ihr Visum ablief, nicht. Von einer Vietnamesin bekam Pavatxay einen Tipp: Als Minderjährige könne sie hier kostenlos zur Schule gehen. So gab sie sich bei einer Meldestelle als 15-Jährige aus.

Nach einem Jahr Deutschunterricht konnte sie in die neunte Klasse einer Gesamtschule wechseln. Ihre Leistungen sind gut, bei ihren Mitschülern fand sie als einzige Ausländerin jedoch keinen Anschluss. „Geh doch Zigaretten verkaufen“, bekam die Laotin zu hören. Im Sommer 2006 wurde ihre „Identitätsverschleierung“, wie es im Behördendeutsch heißt, entdeckt. Die Botschaft in Laos hatte in Berlin nachgefragt, wo die junge Frau mit dem Touristenvisum geblieben sei.

Aus Angst vor der Abschiebung verbrachte sie im Juli kaum eine Nacht in ihrer Wohngemeinschaft, wo sie als minderjähriger Flüchtling vom Verein Alep betreut wird. „Wir haben gehört, dass in den Ferien besonders gern abgeschoben wird“, sagt Christa Giegold. Die 66-jährige Sozialarbeiterin versteht, dass ihr Schützling rein rechtlich abgeschoben werden muss, sie kämpft trotzdem dagegen. „Sie ist so ehrgeizig, sie lernt nur. Das habe ich bei deutschen Jugendlichen noch nie gesehen“, sagt Giegold. Mit Briefen, Telefonaten und auch persönlich bittet Giegold deshalb bei verschiedenen Organisationen um Hilfe.

Traudl Vorbrod vom Flüchtlingsrat hofft als Mitglied der Härtefallkomission auf „ein positives Ergebnis“. Einen Daueraufenthalt hält sie aber für „ausgeschlossen“. Nur falls Pavatxay ihr Leben künftig durch ein Stipendium oder Spenden finanzieren könne, wäre eine Duldung eventuell möglich, sagt Vorbrod.

Die Ausländerbehörde veranschlagt rund 800 Euro pro Monat für den Aufenthalt hier. Privatpersonen haben bereits 250 Euro zugesagt, doch das Geld reicht längst nicht aus, damit sie im nächsten Sommer ihren Realschulabschluss machen kann.

Manchmal denkt Pavatxay daran, was sie in Laos erwartet. Sie spricht fünf Sprachen, damit könnte sie in ihrer Heimat vielleicht in einem Reisebüro arbeiten. Aber ihren Traum von einem Studium will sie noch nicht aufgeben. Ihre Betreuerinnen versuchen nun alles, damit sie, falls sie keine Duldung erhält, nicht nach Laos, sondern nach Vietnam abgeschoben wird. Dort wäre das Studium günstiger. Doch die Zeit läuft ihnen davon, schon in einer Woche könnte Pavatxay zurück nach Laos geschickt werden. MARLENE WOLF

www.alep-ev.de