Heikle Angelegenheit

DOSENÖFFNER Der Retortenklub RB Leipzig steht vor dem Aufstieg in die Zweite Fußball-Bundesliga. Obwohl der Verein die 50+1-Regelung der DFL unterläuft, vermuten Insider, dass die Lizenz unter Auflagen erteilt wird

Gut möglich, dass als Ergebnis feiner Hinterzimmerdiplomatie ein für beide Seiten tragfähiger Kompromiss präsentiert wird

VON FRANK HELLMANN

Eine Direktverbindung zwischen Salzburg und Leipzig, sagt Ralf Rangnick, würde ihm den Alltag ziemlich erleichtern. Red Bull vermag vielleicht Flügel verleihen, aber eine Fluglinie zwischen den beiden Städte hat das Brauseimperium noch nicht ins Leben gerufen. Der für diese beiden Fußballprojekte zuständige Direktor mit familiären Wurzeln im schwäbischen Backnang besitzt bereits eine zweite Bleibe in Salzburg; ein drittes Domizil in Leipzig soll bald hinzukommen, weil Leipzigs Rasenballer mit dem sich abzeichnenden Durchmarsch in die Zweite Bundesliga an Bedeutung gewinnen. „Der nächste Aufstieg wäre großartig“, sagt der 55-Jährige, „dass wir langfristig in die Bundesliga wollen, ist ja klar.“

Danach lechzt der lange darbende Standort: Das 2009 als Ableger des Getränkeproduzenten entstandene Leipziger Gebilde vermeldete jüngst beim Drittliga-Spitzenspiel gegen Heidenheim in der WM-Arena immerhin 25.312 Zuschauer. Das werde bald die Regel statt die Ausnahme sein, versichert Rangnick: „Sollten wir aufsteigen, wage ich die Prognose, dass der Schnitt auf 25.000 ansteigen wird. Und wenn wir in der Bundesliga spielen, ist jedes Spiel restlos ausverkauft.“ Ob die Leipziger indes demnächst zum erlauchten Zirkel des deutschen Lizenzfußballs gehören, wird nicht allein auf dem grünen Rasen entschieden, sondern auch am grünen Tisch. Genauer in der Lizenzierungsabteilung der Deutschen Fußball-Liga (DFL), wo die zum 1. März eingereichten Unterlagen gerade geprüft werden. Ein sehr sensibler Fall.

Bei diesem bislang eher regional als überregional akzeptierten Red-Bull-Konstrukt spüren sie, dass ihr Projekt an einem entscheidenden Punkt steht. Der für den Spielbetrieb zuständige DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig stichelt gern. Gerade wieder vor dem Bundesligaspiel Frankfurt gegen Mönchengladbach, als Rettig bei einer öffentlichen Befragung auf der „Waldtribüne“ klarstellte: „Der Geist der Mitwirkung der Mitgliedschaft in einem Verein muss gewährleistet sein.“ Es werde nicht zugelassen, dass ein fremdbestimmter Klub Mitglieder aussperre und Mitbestimmung unterbinde. Zur Erinnerung: RB Leipzig hat nur 9 Mitglieder, die jährlich je 800 Euro berappen. Dazu kommt eine Aufnahmegebühr. Der aus seiner Managerpraxis zu den Traditionalisten zählende Rettig scheint nicht gewillt, diese Strukturen bedenkenlos durchzuwinken. Andere sind das schon eher: Dem Vernehmen nach vertritt der DFL-Vorsitzende Christian Seifert den Standpunkt, dass der Bundesliga ein Verein in dieser Region grundsätzlich guttue. Einerseits. Andererseits weiß der Liga-Verband von erbittertem Widerstand aus den eigenen Reihen.

Der Retortenklub hat auf Vorhaltungen von institutioneller Seite oft genug mit Drohgebärden wie der Klage gegen die „50+1“-Regel geantwortet. In den DFL-Statuten gebe es doch für Vereinsbeitrag und Mitgliederzahl keine Vorschriften. Aktuell gilt gerade ein Schweigegelübde. „Unter Verweis auf das derzeit laufende Verfahren können wir keine Einschätzungen zum Stand geben“, teilt Geschäftsführer Ulrich Wolter lediglich mit. Der ehemalige Gesamtkoordinator der Frauen-WM 2011 ist mit Mandatsträgern bei DFB und DFL bestens vernetzt.

Gut möglich, dass als Ergebnis feiner Hinterzimmerdiplomatie ein für beide Seiten tragfähiger Kompromiss präsentiert wird, wenn spätestens am 19. April die DFL-Geschäftsführung die Ergebnisse der Lizenzierung verkündet. Weder die DFL-Bosse noch Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz wollen, dass die Causa in eine gerichtliche Auseinandersetzung mündet.

Insider vermuten: Leipzig wird die Lizenz unter Auflagen bekommen. Dagegen können Beschwerden eingelegt, Nachbesserungen eingereicht werden. Finale Entschlüsse trifft der Lizenzierungsausschuss am 28. Mai. Rangnick sagt: „Ich mache mir da keine Sorgen, Wir haben mit unserem Geschäftsführer Ulrich Wolter einen exzellenten Mann in der Verantwortung, der sich um dieses Thema kümmert.“ Und der die DFL überzeugt, mit der Lizenzerteilung zum Dosenöffner zu werden?