Widerspruch mit breitem Kreuz

Eine neue Erfahrung machte in dieser Woche Kardinal Gerhard Ludwig Müller (Foto) in Rom: eine Niederlage, beigebracht durch seinen obersten Dienstherren. Denn als Papst Franziskus das Rücktrittsgesuch des Limburger Bischofs Franz-Peter Tebartz-van Elst annahm, brüskierte er damit auch den Chef der „Glaubenskongregation“, der Tebartz als Opfer einer „Medienkampagne“ dargestellt hatte.

Der 66-jährige Müller ist ein Mann des Widerspruchs und der Widersprüche. Der Arbeitersohn aus Mainz gilt als brillanter Theologe. Als Bischof von Regensburg zeigte er sich als autoritärer Zuchtmeister, der kritische Pfarrer, Theologen und Laien abstrafte und einen verurteilten Sexualtäter weiter als Priester einsetzte. Als er von Papst Benedikt XVI. 2012 zum obersten Inquisitor gemacht wurde, ging ein Aufstöhnen durch die Kirche: Der doch nicht! Müller erfüllte die Erwartungen: Ja zum Zölibat, Nein zu mehr Rechten für Geschiedene, Nein zu Frauen am Altar, Nein überhaupt zu jeder Verwässerung der reinen Lehre.

Gleichzeitig kämpft der hünenhafte Müller mit seinem breiten Kreuz aber auch gegen andere Gegner. In Regensburg forderte er lautstark ein Verbot der NPD und untersagte Auftritte des Holocaustleugners Richard Williamson von den ultrarechten Piusbrüdern. Als Verfechter der „katholischen Soziallehre“ kritisiert den ungezügelten Kapitalismus und verbrachte viele Jahre lang seine Sommerurlaube als Seelsorger in Armenvierteln Lateinamerikas. Müller ist befreundet mit dem in Rom lange verfemten „Vater der Befreiungstheologie“, Gustavo Gutierrez. Mit ihm stellte er im Februar ein Buch vor: „Arm für die Armen“. Das Vorwort schrieb der Papst. Da kann Müller die Limburger Niederlage verkraften. BERNHARD PÖTTER