Kapitalismusstreit in der NRW-Koalition

Neben dem Zoff um die Gemeindeordnung zanken CDU und FDP nun auch um den geplanten Börsengang der RAG. Wirtschaftsministerin Thoben bringt eine Landesbeteiligung am Ex-Kohlekonzern ins Spiel. Die Liberalen lehnen ab

DÜSSELDORF taz ■ Schwarz-Gelb streitet weiter: Nachdem Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) vergangene Woche eine Beteiligung des Landes am neuen RAG-Konzern ins Gespräch brachte, arbeitet sich der Koalitionspartner daran ab. „Wir haben die Überlegung der Wirtschaftsministerin mit großer Verwunderung aufgenommen“, sagt FDP-Fraktionschef Gerhard Papke vor der heutigen Landtagsdebatte zum Thema RAG. Ihm erscheine eine Beteiligung des Landes an der RAG „weder wünschenswert noch vorstellbar“.

„Für uns ist das eine denkbare Variante, dass sich das Land mit 25 oder 30 Prozent der Aktien an dem Konzern beteiligt, um Arbeitsplätze im Ruhrgebiet zu sichern“, so Thoben laut WAZ. „Mit einer solchen Beteiligung kann man verhindern, dass der RAG-Konzern nach dem Börsengang aufgekauft und zerschlagen wird – und am Ende Steuerzahler und Beschäftigte die Dummen sind.“

Papke sagt hingegen, die Koalition aus CDU und FDP (Regierungsmotto: „Privat geht vor Staat“) unterstütze die Börsenpläne, weil dann Konzernteile der RAG in den Wettbewerb entlassen werden sollten: „Mit diesem Ziel können Überlegungen, als Großaktionäre bei der RAG einzusteigen, nicht kompatibel sein.“ Einen Gang aufs Börsenparkett könne es aber erst geben, wenn Klarheit über ein Ende des subventionierten Bergbaus in Deutschland herrsche. „Erst wenn alle Einzelheiten geklärt sind, gibt es grünes Licht von Seiten der Koalition für den Börsengang.“ Dies könne „irgendwann“ im Jahr 2007 geschehen.

Ein Sprecher des NRW-Wirtschaftsministeriums sieht ein „Missverständnis“, das ausgeräumt sei. Die Ministerin plane keineswegs, mit Landesmitteln Aktienanteile der neuen RAG zu kaufen. Auch Lutz Lienenkämper, wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, verteidigt Thoben: „Wir sind der Auffassung, dass angesichts der rund 128 Milliarden Euro Subventionen in den vergangenen Jahren der RAG-Konzern moralisch bereits jetzt teilweise dem Steuerzahler gehört.“ Das habe auch Ministerin Thoben gemeint, sagt er. „Deshalb beabsichtigt kein Mensch, dass NRW bei einem Börsengang Anteile der RAG erwirbt.“

Erlaubt Schwarz-Gelb also der RAG, für die profitablen Unternehmensteile Chemie, Energie und Immobilien den „Shareholder Value“ rauszuholen? Für Börsianer liegt gerade hier der Reiz, während Jürgen Rüttgers ja immer gern das Soziale betont. Als Aktionär könnte der Regierungschef auf eine sozial verträgliche Firmenpolitik hinwirken.

Broker Florian Weber von der DKM Wertpapierhandelsbank beschreibt die Erwartungshaltung der Anleger: „Wann wird es der RAG möglich sein, sich von einzelnen Bereichen zu trennen?“ Weil dies aufgrund derzeit niemand sagen könne, dürften Investoren „erst einmal in Ruhe abwarten“, so der Börsenhändler. Investiert werde wohl erst dann, wenn absehbar ist, dass ein Teilverkauf anstehen könnte. Weber: „Eine solche Haltung bedeutet in der Regel, dass der Kurs nach Börsengang mangels Folgenachfrage eher abwärts gerichtet ist.“

MARTIN TEIGELER