„China sollte sich der Menschheit anschließen“

FRIEDENSNOBELPREIS In einem offenen Brief fordern chinesische Intellektuelle Freiheit für Liu Xiaobo

Mehr als 100 chinesische Aktivisten haben in einem offenen Brief an die Regierung die Freilassung des inhaftierten Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo gefordert. Das Schreiben wurde kurz vor dem gestrigen Beginn des jährlichen Treffens der Führung der Kommunistischen Partei Chinas öffentlich. Auszüge:

„Die Auszeichnung des chinesischen Staatsbürgers Liu Xiaobo mit dem Friedensnobelpreis (…) ist ein großes Ereignis in der modernen chinesischen Geschichte. Es bietet der chinesischen Gesellschaft in ihrem friedlichen Übergang in Richtung Demokratie und verfassungsmäßige Regierung die Aussicht auf einen wesentlichen Schritt nach vorn. Im Geiste der Verantwortung für Chinas Geschichte und Zukunftsaussichten möchten wir folgendes erklären: (…)

Liu Xiaobo ist eine hervorragende Wahl für den Friedensnobelpreis. Er ist in seinem Streben zum Schutz der Menschenrechte beständig für Gewaltlosigkeit eingetreten und hat sich sozialer Ungerechtigkeit durch vernünftige Argumentation entgegengestellt. Er hat die Ziele der Demokratie und der verfassungsmäßigen Regierung hartnäckig verfolgt und von Zorn selbst gegen seine Verfolger abgesehen. (…)

Seit Verkündung des Preises haben Führer vieler Nationen, Regionen und wichtiger internationaler Organisationen die chinesischen Behörden aufgerufen, Liu Xiaobo freizulassen. Wir schließen uns an. Zugleich rufen wir die Behörden auf, alle politischen Gefangenen freizulassen (…). Wir bitten, dass juristische Verfahren zur Freilassung Liu Xiaobos unverzüglich eingeleitet werden und dass Liu und seine Frau nach Oslo reisen dürfen, um den Preis entgegenzunehmen.

Als sie von der Nachricht des Preises für Liu Xiaobo erfuhren, versammelten sich Bürger an mehreren Orten Chinas in Restaurants, um über Essen und Wein ihre Begeisterung zu teilen, zu diskutieren, Transparente hochzuhalten und Schriften zu verteilen. So normal und gesund diese Aktivitäten waren, sie stießen auf Störung und Repression seitens der Polizei. Manche Teilnehmer wurden befragt, bedroht und nach Hause begleitet; andere wurden festgenommen; andere, darunter Liu Xiaobos Frau Liu Xia, sind unter Hausarrest gestellt und von Kommunikation abgeschnitten worden. Wir rufen die Polizei auf, diese illegalen Handlungen umgehend einzustellen und die illegal Festgenommenen freizulassen.

Wir rufen die chinesischen Behörden auf, mit dem Friedensnobelpreis für Liu Xiaobo realistisch und vernünftig umzugehen. (…) China sollte sich dem Mainstream der zivilisierten Menschheit anschließen, indem es universelle Werte annimmt. (…) Wir erwarten von unserer Regierung, dass sie die Verfassung der Volksrepublik China sowie die Charta der Vereinten Nationen und andere internationale Vereinbarungen einhält, die sie unterschrieben hat. Dies wird es nötig machen, die Rechte chinesischer Bürger zu achten (…)“

Aus dem Englischen von D.J. Der vollständige Text auf www.taz.de