: Die Verführung zum Terror
JIHAD UNION Frankfurter Oberlandesgericht verurteilt Salih S. wegen Unterstützung der Sauerland-Gruppe zu gut drei Jahren Haft. Und warnt vor Abenteuerlust junger Männer
Richter Thomas Sagebiel
AUS FRANKFURT AM MAIN HEIDE PLATEN
Selten kam ein Staatsschutzsenat so schnell zu einer Entscheidung. Nach nur knapp 15 Minuten Beratung verkündete der Vorsitzende Richter des 5. Strafsenats am Frankfurter Oberlandesgericht, Thomas Sagebiel, das Urteil: drei Jahre und drei Monate Haft für Salih S. (28) wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung und Mitgliedschaft in der Islamischen Jihad Union (IJU). Der Richter bedankte sich bei Bundesanwaltschaft und Verteidigung für die Zusammenarbeit, die durch ein umfassendes Geständnis des Angeklagten erheblich erleichtert worden sei.
Die Kammer beendete damit ihr zweites Verfahren gegen Helfer der Sauerland-Gruppe. Deren vier Haupttäter waren im März 2010 in Düsseldorf zu Haftstrafen zwischen zwölf und fünf Jahren Haft verurteilt worden. Sie hatten 2007 Sprengstoffattentate gegen Flughäfen und US-Einrichtungen geplant und vorbereitet. S. habe sie dabei unterstützt, indem er Kleidung und technische Geräte angekauft, an einen der Anführer weitergegeben und ihm später seine Kreditkarte überlassen habe. Dann sei der in Frankfurt geborene S., Sohn türkischer Eltern, selbst in ein pakistanisches Ausbildungslager gereist. Seine Frau und seine Tochter habe er dorthin mitgenommen. Er habe dem Umgang mit Waffen und Sprengstoff gelernt, einen Treueeid geleistet und mindestens an einem Kampfeinsatz teilgenommen.
Strafmildernd wertete das Gericht, dass S. schon nach seiner Festnahme in der Türkei ein umfassendes Geständnis abgelegt und sich dort als Freigänger einer Auslieferung nach Deutschland nicht entzogen habe. S. beteuerte während der Verhandlung immer wieder, er habe mit dem Terror gebrochen, in den er mehr oder weniger hineingerutscht sei, dass „man gar nicht gemerkt hat, dass man in diesen Strom hineinkam“. Das Ausbildungscamp habe er aus Angst um seine Familie verlassen, die unter erbärmlichen und lebensgefährlichen Umständen in versteckten Lagern leben musste. Er habe auch andere zum Aufgeben überreden wollen.
Die Bundesanwaltschaft hatte drei Jahre und sechs Monate Haft verlangt, Verteidiger Stefan Bonn verzichtete auf die Forderung nach einem Strafmaß. Richter Sagebiel ließ in der Urteilsbegründung offen, ob dem Angeklagten zu glauben sei, dass er nach seiner Haftentlassung ein Leben ohne Terror beginnen wolle. Das Gegenteil habe sich aber auch nicht beweisen lassen. Er müsse sich auf „starke präventive Überwachung“ gefasst machen. Insgesamt habe das Gericht den Eindruck, dass „viele junge Leute, die vor uns stehen“ weniger aus Überzeugung, sondern „aus Abenteuerlust“ zu Tätern geworden seien. Terror sei aber „kein Kavaliersdelikt und auch kein Abenteuer“.