Dicke auf die Matte!

Deutsche Ringer werden bei der WM in China schnell geschultert. Mit ungewöhnlichen Methoden soll sich das ändern

BERLIN/GUANGZHOU taz ■ Einen wie ihn bräuchten sie wieder. Olympiasieger, dreifacher Welt- und zweifacher Europameister – Maik Bullmann ist der ganze Stolz des Deutschen Ringer-Bundes (DRB). Der Halbschwergewichtler aus Frankfurt/Oder wurde am Rande der WM im chinesischen Guangzhou als erster Deutscher in die „Hall of Fame“ des internationalen Ringerverbands Fila aufgenommen.

Das Problem: Bullmanns Goldmedaille in Barcelona liegt 14 Jahre zurück. Inzwischen wird es schon als Erfolg gefeiert, wenn Konstantin Schneider in Guangzhou im 74-Kilogramm-Limit den fünften Platz erreicht. Mit Edelmetall rechnet in der deutschen Auswahl, der neun Ringer und sieben Ringerinnen angehören, eigentlich niemand.

Zu groß ist die Dominanz der Ringer aus den ehemaligen Ostblockstaaten, aus der Türkei und Griechenland. Während deutsche Athleten diese Phalanx in den 1970er- und 1980er-Jahren in regelmäßigen Abständen durchbrachen, sind sie in jüngster Zeit zunehmend chancenlos. Torsten Kloxin, DRB-Vizepräsident und im Verband zuständig für Marketing, erklärt das auch mit dem Zerfall des Ostblocks. Durch die Aufspaltung der ehemaligen GUS-Staaten sei die internationale Konkurrenz deutlich größer geworden: „Jetzt kommen von dort nicht mehr 5 Topathleten zu den Wettkämpfen, sondern 15 bis 20.“ Zudem könne in Georgien, der Ukraine oder Türkei ein erfolgreicher Ringer von seinem Sport leben. Während der DRB für einen Olympiasieg 15.000 Euro zahlt, gebe es in der Türkei dafür „mindestens ein Einfamilienhaus“. Hinzukommt: Ringen ist in Deutschland einfach nicht sexy. Während Nachwuchsringer hierzulande wegen ihrer zerbeulten Ohren bestenfalls belächelt werden, dürfen sich georgische Jungstars feiern lassen. „In solchen Ländern sind gute Ringer Vorbilder. Das schafft eine ganz andere Motivation“, sagt Kloxin.

Die großen Ringernationen können sich vor Talenten kaum retten, in Deutschland kämpfen die rund 500 Vereine mit rückläufigen Mitgliederzahlen – von leistungsbereiten Jugendlichen ganz von schweigen. Um den Trend aufzuhalten, hat der DRB eine Kampagne an Schulen gestartet, die sich speziell auf übergewichtige Kinder konzentriert. „Da Ringen eine Gewichtsklassensportart ist, haben sie nicht von vornherein einen zu großen Nachteil“, so Kloxin.

Als Vorbilder für den potenziellen Nachwuchs sollen Felix Menzel, Jan Fischer und Christin Büttner dienen. Menzel wurde bei den unter 20-Jährigen Europameister, Fischer und Büttner holten bei der WM Bronze. „Das sind unsere Sterne am Himmel, aber leider die Ausnahme“, sagt Helmut Börner, Geschäftsführer des Luckenwalder SC.

Der Macher beim Deutschen Meister ist optimistischer als Kloxin. Der DRB müsse mehr gestalten, stärker an den Trainingsstützpunkten vor Ort sein, mehr kontrollieren, fordert Büttner. „In fachsportlicher Hinsicht ist da ziemliche Funkstille. Von den Bundestrainern kommen wenig Ideen.“ Dabei liege das Defizit der deutschen Ringer im internationalen Vergleich nicht im athletischen, sondern im technisch-taktischen Bereich.

Kloxin kontert mit dem Verweis auf die geringen Einsatzzeiten, die deutsche Ringer bei den Spitzenklubs erhalten. In Luckenwalde gehören nur zwei Deutsche zur ersten Mannschaft. „Wir würden uns da eine Selbstregulierung durch die Vereine wünschen. Vorschreiben können wir ihnen eine Quote seit dem Bosman-Urteil nicht mehr“, klagt Kloxin. Die Crux: Die ausländischen Topstars reisen nur zu den Wettkämpfen an, trainieren aber in ihrer Heimat. Einheimischen Spitzenkräften fehlen somit starke Übungspartner. Ohne harte Konkurrenz im Training aber ist der Vorstoß zu den Besten kaum möglich.

Beim Ringer-Bund werden sie wohl noch lange auf einen wie Maik Bullmann warten müssen.

LARS JESCHONNEK