Am Anfang war PR

Der Bonner Rennstall T-Mobile setzt auf die Selbstreinigungskräfte der dopingaffinen Radsportszene, verordnet sich ein strengeres Reglement und schraubt die Ansprüche an die Mannschaft herunter

„Füreinander da sein und Respekt haben vorm Masseur“

AUS BONN DANIEL THEWELEIT

Bob Stapleton ist offenbar kein Mann für halbe Sachen. „Ganz oder gar nicht“ ist das Motto, das der neue Generalmanager bei der Präsentation der runderneuerten Radsportkampagne von T-Mobile ausgab. Offenbar hatte ein „Gar nicht“ gedroht, denn Thomas Winkler, Finanzvorstand des T-Mobilfunkkonzerns, sagte: „Wir haben überlegt, komplett aus dem Radsport auszusteigen.“ Wie nun das Ganze aussieht, das wurde gestern auf einer aufwändig inszenierten Veranstaltung ausgeführt. T-Mobile will sich als Saubermann profilieren. Als vermeintlicher Vorreiter wollen die Bonner nicht nur den angerichteten Schaden reparieren, man hofft sogar auf einen zusätzlichen Imagegewinn. „Wir glauben an den Radsport als sauberen und fairen Imageträger für die Zukunft“, verkündete Winkler, man wolle „eine Führungsrolle einnehmen“.

Deshalb hat Stapleton einen „signifikanten Anteil“ vom Gesamtetat (12 Millionen) in das angeblich „größte Anti-Doping-Programm gesteckt, das es in diesem Sport je gegeben hat“, behauptete der Amerikaner. Stapleton hat das Konzept gemeinsam mit Rolf Aldag überdacht, der dann auch mit Leidenschaft über seine neue Mannschaft sprach. „Eine Gruppe“, der er „wirklich vertraue“, habe er gebildet, die Extrawürste eines Jan Ullrich werde es nicht mehr geben, man müsse in Zukunft „füreinander da sein und Respekt haben auch vor dem Mechaniker und dem Masseur“. Eine Tour de France werde man so zwar nicht gewinnen können, „aber wir wollen sehr, sehr offensiv fahren, die Leute unterhalten“.

Im Zentrum dieser renovierten Radsportkampagne steckt eine öffentlichkeitswirksam gepriesene Anti-Doping-Konzeption. Die Fahrer sollen angeblich künftig intensiv und exklusiv von den Ärzten der Freiburger Uniklinik betreut werden, die ständig alle relevanten Blut- und Urinwerte der Fahrer kontrollieren. Diese Daten werden von einem „international besetzten und unabhängigen Expertengremium“ bewertet, wie Teamarzt Lothar Heinrich erklärte. Zudem will T-Mobile die Nationale Anti-Doping-Agentur (Nada) damit beauftragen, alle Fahrer der Mannschaft mindestens dreimal jährlich unangemeldet zu testen. Die Kosten trägt das Team.

Neben all diesen Details wird in den Verträgen mit den Profis fixiert, dass der Angestellte einen DNS-Test machen muss, dessen Ergebnis gegebenenfalls den Ermittlern zur Verfügung gestellt wird. Wird ein Fahrer positiv getestet, wird ihm nicht nur gekündigt, er muss auch noch mit Regressansprüchen von T-Mobile rechnen. Die Privatperson Jan Ullrich hätte eine solche Regressforderung ruinieren können. Die Klausel, deren zivilrechtliche Durchsetzbarkeit jedoch unklar ist, könnte sich – neben dem Verbot, mit dubiosen Ärzten zusammenzuarbeiten – tatsächlich als praktikables Mittel gegen Doping erweisen.

„Jeder Fahrer, der künftig das Trikot überstreift, ist ein sauberer Fahrer“, behauptete Aldag in seinem Enthusiasmus sogar, und „dieses Vorgehen wollen wir dann auch in die anderen Teams hineinbringen“, ergänzte Stapleton. Der 48-Jährige ist reich geworden, weil T-Mobile einst das von ihm mit gegründete US-Mobilfunkunternehmen Voicestream schluckte. Im Bonner Unternehmen war man beeindruckt vom Unternehmer. Man hält ihn für den richtigen Mann, den Rennstall zu reinigen; mit großen sportlichen Erfolgen rechnet indes erst mal niemand.

Die Mannschaft muss ohne namhafte Verstärkungen durch das kommende Jahr radeln. Für die Tour de France könnte Linus Gerdemann, 24, ein Kandidat fürs Weiße Trikot sein, der Australier Michael Rogers „ist unser Mann fürs Klassement bei der Tour“, so Aldag, er könnte vielleicht unter die ersten zehn fahren, doch im Kern wird das Team eher auf die Jagd nach Klassiker- und Etappensiegen gehen. Das Image des integren Außenseiters haben sie sich in der PR-Abteilung des Sponsors ausgedacht. Nur das neue Motto hatte die neue Teamführung offenbar noch nicht ausreichend durchleuchtet. Denn „Ganz oder gar nicht“ ist der Titel des biografischen Buches, das Jan Ullrich vor einiger Zeit gemeinsam mit dem ebenfalls ins Zwielicht geratenen Hagen Boßdorf verfasst hat.