Bettina Gaus über FERNSEHEN
: Gute Nacht allerseits!

Wer nur noch mit dem Bauch denkt statt mit dem Kopf, muss früh ins Bett und darf nicht mehr fernsehen

„Islamisten zufrieden mit dem Papst“, war auf dem Videotext von Pro7 zu lesen. Was hatte Benedikt XVI. getan? War es ihm gelungen, ein kleines Fässchen Benzin fürs Feuer aufzutreiben, und hatte er damit Radikalen neuen Zulauf beschert? Nein, keineswegs. Er hatte sich mit islamischen Gesandten aus 22 Nationen getroffen, die nach der Begegnung freundliche Worte fanden.

Man kann nicht alles wissen, nicht einmal, wenn man für Pro7 arbeitet. Ob Muslim oder Islamist – das stört keinen großen Geist, wie Karlsson vom Dach sagen würde. Irgendeinen Geist muss es aber schließlich doch gestört haben. Nach einiger Zeit waren jedenfalls die Begriffe in der Videotext-Überschrift ausgetauscht. Was für den Weltfrieden gewiss dienlich war.

Denn man weiß ja nie, was Muslimen alles zuzutrauen ist. Wenn man schon von Opernfreunden befürchten muss, dass sie zu den Waffen greifen – was ist dann erst von Diplomaten zu erwarten, die sich zu Unrecht als potenzielle Verbrecher diskriminiert sehen? Vermutlich sind sie im Herzen doch alle gewaltbereit. Islamisten eben. Das liegt ihnen im Blut, und es scheint ihnen ja außerdem von ihrer Religion vorgeschrieben zu werden. Islamwissenschaftler behaupten zwar beharrlich das Gegenteil, aber man weiß ja, wie weltfremd Intellektuelle sind. Eine Überzeugung, die gerade im aufgeklärten abendländischen Kulturkreis immer mehr Zuspruch findet.

Die ARD hat nun einen Spielfilm, in dem ein türkischer jugendlicher Drogenhändler eine gutbürgerliche deutsche Familie terrorisiert, sicherheitshalber erst einmal ins Spätprogramm am Freitagabend verschoben. Also auf einen Zeitpunkt, zu dem die Zielgruppe mehrheitlich andernorts unterwegs ist. Nur wegen des Jugendschutzes, versteht sich. Nicht etwa, weil man Angst vor einer offenen Diskussion über ein brisantes Thema gehabt hätte.

Die Tatsache, dass den Film bisher kaum jemand kennt, beflügelt Diskussionen im Internet. Sachkenntnis kann ja bekanntlich hinderlich sein. So aber darf Forums-Teilnehmer Bibip auf Interesse hoffen, wenn er erzählt, dass ein Freund seines Sohnes von einigen türkischen Jugendlichen angegriffen wurde. Er findet deshalb, dass jeder ausländische Gesetzesbrecher sofort „ohne lange Fackeln“ abgeschoben werden soll: „Gleichgültig ob er da Verwandte hat oder ob sein Leben bedroht ist.“

Was das mit dem Film zu tun hat? Das fragt sich der deutsche Regisseur Züli Aladag vermutlich auch. Er ist übrigens türkisch-kurdischer Abstammung. Interessiert das jemanden? Eher nicht. Bauch ist angesagt, nicht Kopf. Islamisten, Muslime, Agnostiker: ist doch egal, ey.

Dummheit gibt es nicht nur im Christendom. Nach den bemerkenswert dämlichen Äußerungen des Papstes über den Islam – doch, doch, das darf man noch schreiben, obwohl der Mann inzwischen auch von protestantischen und atheistischen Redakteuren ganz selbstverständlich als „Heiliger Vater“ bezeichnet wird – hat der arabische Sender al-Dschasira gezeigt, dass auch bei ihm hasenfüßige Bürokraten arbeiten. Die Ausstrahlung des „Sandmännchens“, die mit dem RBB vertraglich vereinbart war, verzögert sich. Wegen der Papstrede.

Die Oper „Idomeneo“ dürfen erwachsene Berliner derzeit nicht sehen, arabische Kinder müssen vorläufig bis weit über die Schlafenszeit hinaus aufs „Sandmännchen“ warten. Gute Nacht allerseits.

Noch ein Hinweis für diejenigen, die nicht sofort wegdämmern können: Diskursbereite Muslime riskieren in einigen Teilen der Welt eine ganze Menge. Sie freuen sich bestimmt darüber, in welchem Ausmaß sie derzeit auf die Solidarität oder doch wenigstens das Interesse demokratischer Gesellschaften zählen können. Jetzt müsst ihr aber wirklich schlafen.

Fragen zur Religion? kolumne@taz.de Morgen: Philipp Maußhardt über KLATSCH