SOLIDARITÄT MIT DEN STREIKENDEN BAHNGEWERKSCHAFTERN? LEIDER NEIN
: Chef und Belegschaft gegen die Kunden

An heute kann das Warten auf den Zug länger dauern oder gar vergebens sein. Denn die beiden Bahngewerkschaften Transnet und GDBA haben Warnstreiks angekündigt. Und es gibt guten Grund, sich auf dem Bahnsteig nicht nur über Verspätungen zu ärgern, sondern auch über die taktischen Spiele der Gewerkschaftsspitzen, unter denen der Bahnkunde leiden muss.

Dabei geht es vordergründig um ein begrüßenswertes Ziel, nämlich die Sicherung von Arbeitsplätzen bei der Bahn. Deren Jobs sind zwar durch eine noch gültige Vereinbarung bis 2010 sicher. Die Gewerkschaften wollen nun aber die Zusage vom Bahn-Vorstand, dass dies auch dann gilt, wenn im Zuge des Börsengangs das Schienennetz aus dem Konzern gelöst wird.

Und damit ist das Thema benannt, um das es den Arbeitnehmervertretungen wirklich geht. Beide Gewerkschaften wollen ebenso wie Bahnchef Hartmut Mehdorn, dass das aus Steuermitteln finanzierte Schienennetz in der Hand der Deutschen Bahn bleibt. Darüber wird zur Zeit in der Regierung und im Parlament diskutiert. Und um darauf Einfluss zu nehmen, werden die Bahnkunden instrumentalisiert. Das Kalkül: Wenn nicht nur die Beschäftigten, sondern auch die Fahrgäste ihrem Ärger Luft machen, steigt der Druck auf die Parlamentarier, den Konflikt im Sinne des Konzerns und der Gewerkschaften zu entscheiden.

Eine solche Inszenierung wird aber dem Bedürfnis der Bahnkunden nicht gerecht. Denn die Erfahrungen aus der Strombranche lehren: Wer die Macht über die Infrastruktur hat, bleibt faul. Mehr Wettbewerb, mehr Konkurrenz auf der Schiene hätte viele Vorteile: Das Angebot würde steigen, die Preise sinken und der Anreiz größer, vom Auto in die Bahn umzusteigen.

Vor diesem Hintergrund ist unverständlich, dass in der Politik das Trennungsmodell, bei der die Infrastruktur komplett in staatlicher Hand bleibt, kaum noch diskutiert wird. Um so ärgerlicher ist der ohne wirkliche Notwendigkeit vom Zaun gebrochene Arbeitskampf. Er nutzt höchstens der Deutschen Bahn AG. Dem Schienenverkehr insgesamt schadet er – und damit auch den Bahnfahrern. STEPHAN KOSCH