Streik und Streit ums Schienennetz

Weil sich Bahn-Management und Gewerkschaften nicht auf eine Arbeitsplatzgarantie einigen konnten, steht nun ein Arbeitskampf ins Haus. SPD-Abtrünnige um Ex-Bundesverkehrsminister Bodewig stellen den Börsengang gar ganz in Frage

VON STEPHAN KOSCH

In den nächsten Tagen sollten Bahnfahrer öfter zum Telefon greifen. Unter der kostenlosen Hotline 0 80 00-99 66 33 können sie sich über mögliche Zugverspätungen informieren. Denn gestern Nacht endete die Friedenspflicht im Tarifstreit zwischen den Bahngewerkschaften Transnet und GDBA auf der einen und dem Vorstand der Deutschen Bahn AG auf der anderen Seite. Und weil sich diese in den vergangenen Wochen nicht einigen konnten, könnte es ab morgen zu Warnstreiks kommen. Heute sollen im Berufsverkehr Flugblätter verteilt werden.

Die Gewerkschaften verlangen vom Bahn-Management, dass die vereinbarte Beschäftigungssicherung für 130.000 Mitarbeiter bis 2010 auch dann Bestand hat, wenn die Bahn im Zuge des geplanten Börsengangs ihr Schienennetz an den Bund abtreten muss. Bahnchef Hartmut Mehdorn, der wie die Gewerkschaften die Macht über das Netz behalten möchte, war bislang dazu nicht bereit.

Gestern nun machten Verkehrspolitiker des Deutschen Bundestages Druck auf Mehdorn. Nach einer Sitzung des Verkehrsausschusses forderten alle Fraktionen außer der FDP die Deutsche Bahn auf, ihren Beschäftigten unabhängig von dem Modell für den Börsengang eine Arbeitsplatzzusage auszusprechen. Der Ausschuss werde einer Privatisierung nur zustimmen, „wenn sie mit zentralen Forderungen nach Beschäftigungssicherung vereinbar ist“.

Damit scheint plötzlich der gesamte Börsengang der Bahn wieder zur Disposition zu stehen. Zumal auch sechs SPD-Fraktionsmitglieder in letzter Minute grundsätzliche Fragen stellen. Einer davon ist der frühere Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig, der bereits in seiner Ministerzeit heftig mit Mehdorn über die Kontrolle des Schienennetzes gestritten hatte. In einem Brief an ihre Fraktionskollegen weisen Bodewig und die anderen Abgeordneten darauf hin, dass weder der Bundestag noch ein SPD-Parteitag entsprechende Grundsatzbeschlüsse verabschiedet habe. Zentrale Problempunkte würden die Frage aufwerfen, „ob eine wie auch immer geartete Privatisierung überhaupt sinnvoll ist“, heißt es in dem Brief, der der taz vorliegt. Denn nach Bezahlung aller Schulden betrage der Erlös für den Bund gerade mal 2 Milliarden, gleichzeitig sei er verpflichtet, in den kommenden zehn Jahren 25 Milliarden Euro in das Netz zu investieren.

Allerdings dürfte diese Grundsatzkritik kaum Chancen auf Erfolg in der SPD-Fraktion haben. Das meint zumindest deren verkehrspolitischer Sprecher Uwe Beckmeyer: „Es gibt eine Koalitionsvereinbarung “, sagte er der taz. „Es geht jetzt nur noch um das Wie.“

Der Weg zum Ziel könnte nach seiner Einschätzung das sogenannte Kompromissmodell sein. Danach soll die Bahn wirtschaftlicher Eigentümer werden, der Bund durch eine sogenannte Sicherungsabrede – ähnlich einer Verpfändung – zivilrechtlicher Eigentümer sein. Heute soll eine Koalitionsarbeitsgruppe über das Modell entscheiden.

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