Auch die Geheimdienste haben keine Lösungsvorschläge

WASHINGTON taz ■ Einige der Zitate wurden in den USA schon seit Tagen heftig diskutiert, als sich US-Präsident George Bush am Dienstag dazu durchrang, vier Seiten aus der Geheimdienstanalyse veröffentlichen zu lassen, die die taz heute abdruckt. Die weltweite Jihad-Bewegung nimmt zu, beschleunigt durch den Krieg im Irak, der längst zur Legitimation islamistischer Kämpfer geworden sei und in der muslimischen Welt starke Ressentiments – und damit neue Terroristen – gegen die USA gebäre. So lautet im Kern eine Einschätzung des Papiers, das im April übereinstimmend von allen 16 US-Geheimdiensten verfasst worden sein soll.

Bush erklärte hingegen, wer behaupte, der Irakkrieg habe den Terrorismus verschlimmert, sei naiv. „Wer andeuten will, dass wir ein rosigeres Szenario mit weniger Extremisten in radikalen Organisationen hätten, wenn wir nicht im Irak wären, der will von uns, dass wir die Erfahrung aus 20 Jahren ignorieren“, sagte der US-Präsident. Bushs Sicherheitsberaterin Frances Fragos Townsend äußerte Zweifel, dass die Zahl islamischer Extremisten tatsächlich zugenommen habe.

Seinen Kritikern warf Bush vor, die entsprechenden Passagen des Geheimpapiers mit Blick auf die bevorstehende US-Kongresswahl am 7. November lanciert zu haben. Er habe daraufhin den Nationalen Geheimdienstchef John Negroponte angewiesen, jene Teile des Berichts freizugeben, deren Veröffentlichung keine Gefährdung der nationalen Sicherheit darstellten, damit die Wählenden sich selbst ein Bild der Lage machen könnten. Laut Zeitungsberichten vom Wochenende soll die geheime Analyse insgesamt sehr viel umfangreicher sein. Der Kongress hatte zudem bereits im Juli einen weiteren Bericht ausschließlich zum Irak angefordert, der allerdings noch „nicht fertig sei“, heißt es aus Regierungskreisen.

Der Dienstag veröffentlichte Text enthält im Kern keine Einschätzungen, die nicht schon in der amerikanischen Öffentlichkeit diskutiert worden wären. Enttäuscht zeigten sich Kritiker, dass die Geheimdienste nicht den Hauch eines Lösungsansatzes erwähnen, wie die USA mit dem Irak-Desaster zukünftig umgehen sollten. Der Report ging im Frühjahr noch davon aus, dass sich die Lage im Irak entspannen könnte, wenn es gelänge, in schneller Abfolge die radikalislamistischen Führer und Attentäter Abu Mus’ab al-Zarqawi, Ussama Bin Laden und al-Zawahiri auszuschalten. Im Juni dann wurde der Al-Qaida-Kopf im Irak, al-Zarqawi, erschossen – seitdem hat sich die Lage im Irak keineswegs gebessert.

ADRIENNE WOLTERSDORF