Geschwister mit dunklem Geheimnis

THEATER Nüchternes Melodram: Lukas -Bärfuss’ „Die Reise von Klaus und Edith durch den Schacht zum Mittelpunkt der Welt“ erzählt im Brauhauskeller von den Abgründen einer Bruder-Schwester-Beziehung

Grell leuchten zwei Scheinwerfer aus einem umgitterten Tunnel ins Publikum. Dann lärmt es los, dass die Sitze beben. Mit einer vorbeiratternden Bahn beginnt „Die Reise von Klaus und Edith durch den Schacht zum Mittelpunkt der Welt“, die Freitag im renovierten Brauhauskeller Premiere hatte.

Die Reise führt mitten hinein in die Abgründe der Beziehung von Klaus und Edith, Bruder und Schwester im Erwachsenenalter. Kümmern muss sich Klaus, biederer Literaturfreund in Hemd und Pullunder, um Edith. Denn die, so betont sie stets, „ist nicht ganz richtig“, hat „die Melancholie“. Abhängigkeit macht ihre Beziehung aus: Ein dunkles Geheimnis bindet Edith an Klaus. Jeder andere, so sagt er ihr, würde sie verlassen, sobald er davon erfährt. Weil es Edith so schwer fällt, zur „Räson“ zu kommen, hilft Klaus ihr dabei: mal mit Schlägen auf den Hinterkopf, mal mitten ins Gesicht. „Wenn ich dich schlage“, sagt er, „schlage ich mich selbst.“ „Es tut mir leid“, sagt sie dann.

Als Edith Klaus alten Weggefährten Stein kennenlernt, beginnt sie, sich aus der Bruder-Schwester-Beziehung zu lösen. Weil Klaus sie nicht gehen lässt, schmiedet Edith ein Komplott. Sie verleumdet Klaus, der kommt in Haft. Doch ihr Geliebter hat da schon von ihrem Geheimnis, das nie genannt wird, erfahren und verlässt sie. Wieder rattert eine Bahn vorbei, dieses Mal ist sie Ediths letzter Ausweg.

Wo der Autor selbst, der Schweizer Dramatiker Lukas Bärfuss, das Stück als „Melodrama des letzten Jahrhunderts“ verortet, versetzt Regisseur Sebastian Martin es mit verschiedensten Bezügen: Ediths Kapuzenpullover aus dem Heute, Steins übergroße Schuhe erinnern an Charlie Chaplin, andere Figuren wirken fast barock. Das Stück ist aus der Zeit gehoben, nüchtern konzentriert sich alles auf die fatale Dynamik zwischen Klaus und Edith. Es bleibt dabei erstaunlich gelassen. Und funktioniert in der Brauhauskeller-Aufführung, nicht zuletzt durch die Leistung des Ensembles, allen voran Susanne Schrader als Edith. Dabei dürfte die Inszenierung die kostengünstigste der zwölf Schauspiel-Premieren der Spielzeit am Goethe-Theater sein: Sie war Martins Abschlussarbeit an der Berliner Ernst Busch-Hochschule. Glückwunsch, Herr Diplom-Regisseur. THA

Brauhauskeller, 20./26. & 31. 10. jeweils 20.30 Uhr