Sandbosteler vom Gedenken genervt

GEDENKSTÄTTE Beim Streit um ein Einfamilienhaus auf dem Gelände des ehemaligen niedersächsischen Auffanglagers Sandbostel versucht SPD-Chef Sigmar Gabriel zu vermitteln – und dringt nicht durch

Wo einst der Appellplatz des Lagers war, ist gebaut worden: ein Einfamilienhaus

Sie sind gekommen, um zu schlichten: Sigmar Gabriel, SPD-Chef, und Ivar Buterfas, Unternehmer aus Hamburg, schauen am Freitag bei der Gedenkstätte im ehemaligen niedersächsischen Auffanglager Sandbostel vorbei. Beide haben sich sehr für die Gedenkstätte eingesetzt: Gabriel noch als Landespolitiker, Buterfas als Überlebender, der sich während der Nazijahre als Kind versteckt halten musste und dessen jüdischer Vater nur knapp das KZ überlebte.

Mittlerweile stehen 1,4 Millionen Euro bereit, das denkmalgeschützte Gelände zu erhalten. Doch wo einst der Appellplatz des Lagers war, ist gebaut worden: ein Einfamilienhaus. Das empört Buterfas, Gabriel soll moderieren. Viele aus dem Ort sind gekommen. „Sie haben eine Baugenehmigung bekommen, also hatten sie alles Recht der Welt, ihr Haus zu bauen“, sagt Buterfas zum Hausbesitzer. Doch moralisch gesehen sei das nicht in Ordnung: „Was, wenn Ihr Haus auf den Knochen ermordeter Juden errichtet wurde?“

Damit löst er unter den Anwesenden offene Entrüstung aus: „Buterfas, verschwinden Sie!“, ruft ein älterer Herr in Bauernjoppe, „dann haben wir hier endlich Ruhe!“ Der Besitzer einer benachbarten Hundepension droht, halte Buterfas nicht künftig still, könne er zum nächsten Jahrestag der Lagerbefreiung ein bundesweites Hundetreffen anberaumen, das gäbe ein schönes Gekläffe.

Etwas verdruckst stehen die Vertreter des Gedenkstättenvereins dabei: Dass ihrer Arbeit eine solche Feindlichkeit entgegenschlägt, scheint sie zu überraschen. Gabriel versucht einen Vorschlag zur Güte: Ob es nicht möglich wäre, wenigstens in der Nähe des neuen Hauses eine Gedenktafel anzubringen? Der Besitzer schüttelt nur stumm den Kopf. Er reagiert auch nicht, als ihm Buterfas ihm nach dem Treffen anbietet, unter vier Augen miteinander zu reden.

Noch ist nicht geklärt, wer dafür verantwortlich ist, dass das Baugrundstück aus dem Denkmalschutz herausgenommen wurde – gegen den Widerstand der Denkmalschützer in Hannover. Auch die archäologische Fachabteilung des Landkreises wurde nie eingeschaltet. Sie hätte klären können, ob und was da in der Erde liegt, wo sich heute ein Haus erhebt. FRANK KEIL