Die Jugend pfeift auf die warmen Worte

Ministerpräsident Rüttgers kündigt Ausbildungsplätze für alle an. Viele Jugendliche glauben nicht daran

Jürgen Rüttgers verspricht:

„Es gibt eine Chance für euch. Jeder Jugendliche, der einen Ausbildungsplatz will, kann in Zukunft auch einen bekommen.“

NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann fordert:

„Bleibt am Ball – hier in der Schule, bei der Frage nach der Berufswahl, aber auch während der Bewerbungsphase. Auch wenn es frustrierend ist, Absagen zu erhalten: Der Ausbildungsmarkt hat immer noch offene Stellen zu bieten.“

Jugendliche antworten:

David Scheffer (19), Düsseldorf: „Ich glaube nicht daran, dass alle einen Platz bekommen. Mit meinem Hauptschulabschluss finde ich nichts, nach bisher etwa 30 Bewerbungen. Auch von Berufsschulen werde ich abgewiesen. Wo ich ausgebildet werde, ist mir egal. Hauptsache, ich finde etwas. Momentan warte ich auf ein Einstiegspraktikum.“

Chantalle Henz (18), Arnsberg: „Mehr Ausbildungsplätze wird es nicht geben. Die kann ja niemand herzaubern. Ich selbst suche seit einem Jahr eine Stelle. Das kann alles Mögliche sein, man soll ja flexibel sein. Hauptsache, es ist was im kaufmännischen Bereich. Trotz der vielen Absagen bin ich zuversichtlich, dass ich noch eine Stelle finde. Zurzeit gehe ich weiter zur Schule, in die elfte Klasse. Das mache ich noch so lange, bis ich eine Ausbildung gefunden habe. Bis dahin schreibe ich weiter Bewerbungen.“

Christof Niemczyk (24), Düsseldorf: „Es wird nicht mehr Stellen für uns geben. Dafür gibt es zu viele Schüler, die nichts für ihre Ausbildung tun. Das liegt nicht an der Schulform, sondern meistens an den Lehrern. Wenn die einen schlecht auf den Beruf vorbereiten, dann hat man keine Chance. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie schwierig so mancher Einstellungstest sein kann. Ich selbst habe nach meinem Realschulabschluss in den letzten Jahren in verschiedenen Betrieben gearbeitet. In der Zwischenzeit habe ich mich immer wieder ohne Erfolg für eine Ausbildung beworben. Jetzt mache ich ein Einstiegsqualifikationsjahr bei Thyssen-Krupp, das zum Teil vom Staat finanziert wird. Da haben die Politiker endlich mal etwas Gutes eingerichtet. Ansonsten sind meine Erwartungen an die Politik aber eher gering. In den letzten zwei Jahren habe ich mich etwa 120 Mal beworben und bin immer noch nicht in einer Ausbildung.“

Marcel Geisler (19), Arnsberg: „Ich suche schon seit drei Jahren eine Ausbildungsstelle. Nach rund 70 Bewerbungen habe ich noch nichts gefunden. Ich arbeite jetzt in einer sozialen Einrichtung, die Menschen mit Behinderung betreut und bewerbe mich weiter um eine Ausbildung. Die Ankündigungen der Politik, dass es bald genug Stellen für alle gibt, glaube ich erst, wenn ich selbst eine habe.“ MORITZ SCHRÖDER