Nicht nur eine Sache des Staates

Privatschulen liegen im Trend, auch in Bremen. Gleichwohl erntet die Kirche für die Gründung eines Privatgymnasiums Kritik auch aus den eigenen Reihen. Und das Land spart an Fördermitteln

von Benno Schirrmeister

Bremen wird immer asozialer. Das ist, grob gesagt, was der Trend zur Privatschule aus Sicht ihrer Gegner bedeutet: „Jede Privatschule“ meint zum Beispiel Christian Gloede-Noweck vom Landesvorstand der Lehrergewerkschaft GEW, „verstärkt die Segregation“, also den Trend zur sozialen Entmischung. Von einer „Zweiklassengesellschaft“ spricht Friedenskirchen-Pastor Bernd Klingbeil-Jahr, und nennt die geplante Gründung eines evangelischen Privat-Gymnasiums durch die Stiftung Friedehorst „ein bedenkliches Signal“.

Rahmen der polemischen Äußerungen war der gestrige „Nordwest-Radio unterwegs“-Talk, das Friedehorst-Projekt ihr Aufhänger: Für hitzige Auseinandersetzungen hatte vor allem in der Kirche die Ankündigung der diakonischen Einrichtung gesorgt, pro Schüler und Monat rund 300 Euro kassieren zu wollen. Für eine soziale Staffelung werde „ein Stipendiensystem“ sorgen, so die Gründungsdirektorin Brigitte Thies-Böttcher – dezidiert wolle man „keine Elite-Einrichtung“ sein.

Im Schuljahr 2007/08 soll’s losgehen, eine geeignete Immobilie ist noch nicht gefunden, und die designierte Schulleiterin bislang das gesamte Personal-Tableau der virtuellen Bildungsanstalt. Und, das ließ en passant Walter Henschen, zuständiger Referent beim Bildungssenator, in die Diskussion einfließen, auch ein Antrag auf Zulassung ist noch nicht gestellt.

Das Thema aber ist weitaus konkreter, und es ist deutlich breiter gestreut. Bundesweit wird der Trend zur Privatschule seit Jahren beobachtet, und weil die Pisa-Studie als sein Auslöser gilt, ist es nur folgerichtig, dass ihn Verliererland Bremen besonders stark zu spüren bekommt: Eine neue Waldorfschule in Nord und das katholische Gymnasium in Mitte sind die Neugründungen des Sommers, die bereits eingeführten vermeldeten Anmeldungs-Rekorde. Die evangelische Bekenntnisschule zum Beispiel hat deshalb eine Dependance in der Vahr gegründet. Und das Ökumenische Gymnasium in Oberneuland ist laut Direktor Wilfried Kurth mit aktuell 730 SchülerInnen „an der äußersten Grenze angelangt“.

Ein Trend, den es laut GEW zu stoppen gilt: Man könne zwar die Missstände an den staatlichen Regelschulen nicht leugnen, so Gloede-Noweck. Aber statt Privatschulen zu bewilligen sollte das staatliche Regelmodell verbessert, sprich: Zur integrativen Gesamt- und Ganztagsschule „für alle“ umgewandelt werden. Ein pluralistischer Ansatz sieht anders aus, und dezent verweist Bildungsbehördler Henschen darauf, dass das Grundgesetz die Möglichkeit privater Konkurrenz zum staatlichen Lernbetrieb schützt. Gefühlsmäßig aber scheint er die als eher lästig zu empfinden: Es seien ja „gerade die pädagogisch reflektierteren Eltern“, die zu den Privatschulen abwandern. „Die fehlen dann“ in den jeweiligen Klassenverbänden: Jede besondere Schulform, so Henschen, „entmischt“. Entsprechend stiefmütterlich werden die Plätze vom Land bezuschusst: Rund 65 Prozent der Kosten übernimmt Bremen – in Hamburg sind es 85, in Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen sogar 90 Prozent.

Die These von der Entmischung ist zwar nahe liegend. Durch Studien belegt ist sie aber nicht. Im Gegenteil: Dort, wo das Problem schulischer Segregation laut zweiter Pisa-Studie nicht so ausgeprägt ist, wie in Deutschland, liegt der Anteil an Privatschulen wesentlich höher. „In Deutschland liegen wir“, so Martin Kunze, der Sprecher des Privatschulen-Bundesverbandes auf Nachfrage der taz, „bei rund 7,5 – im europäischen Durchschnitt bei über 20 Prozent“. Schlechter sind die staatlichen Schulen dort dadurch offenbar nicht geworden. Allerdings, so Kunze, sei in Deutschland die Auffassung weit verbreitet, das „Schule allein Sache des Staates“ sei – „vielleicht“, so argwöhnt er, „weil Privatschulen immerhin zweimal in der deutschen Geschichte verboten waren“.