„Als würde der Papst mit Madonna sprechen“

Die erste Islamkonferenz wird von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble als „guter Start“ angesehen. Mustafa Yoldas, Vorsitzender der Schura Hamburg, dem Rat der islamischen Gemeinden, kann diese Begeisterung nicht teilen

taz: Herr Yoldas, die Bundesregierung bewertet die von ihr initiierte erste deutsche Islamkonferenz als Erfolg. Sie auch?

Mustafa Yoldas: Ich begrüße es, dass die Politik das Gespräch mit den Muslimen sucht. Allerdings bezweifle ich, das bei der Zusammensetzung dieser Konferenz am Ende etwas Konkretes herauskommt, worauf alle stolz sein können.

Was war daran so falsch?

Zur Islamkonferenz waren als Vertreter der Muslime Personen geladen, die für einige hundert Moscheen sprechen, aber auch Einzelpersonen, die – wie die Anwältin Seyran Ates oder die Islamkritikerin Necla Kelek – überhaupt niemanden repräsentieren oder sogar antiislamische Ressentiments schüren. Das ist so, als würden wir versuchen, mit den Katholiken ins Gespräch zu kommen, und uns zu diesem Zweck den Papst und den Popstar Madonna einladen. So kann das erklärte Ziel, einen Gesellschaftsvertrag mit den Muslimen zu schließen, nicht erreicht werden und nichts Verbindliches zu Stande kommen.

Da haben also die falschen Personen über das richtige Thema gesprochen?

Es war kein Querschnitt der islamischen Gesellschaft auf dieser Konferenz vertreten. So wurden die Landesvertretungen der Schuras wurden zu dieser Konferenz gar nicht eingeladen, obwohl sie in fast allen Bundesländern existieren und dort zu den wichtigsten Verbänden gehören, die die Muslime vertreten. Diese Landesverbände gestalten mehr als andere Organisationen die praktische Integrationspolitik der Muslime, während anderen Vertretungen eine mehr repräsentative Funktion zukommt.

Was kann das Ziel einer Islamkonferenz sein?

Wir streben einen ähnlichen Status an, wie er für andere Religionsgemeinschaften selbstverständlich ist. Das heißt etwa, dass wir Mitspracherechte in den Rundfunkräten bekommen oder unsere Kindergärten genau wie kirchliche Horte auch durch Steuergelder mitfinanziert werden. Muslimische Bürger haben alle Pflichten, bezahlen Steuern, kommen aber kaum in den Genuss der Gaben des Sozialstaates. Der Einfluss, den die Kirchen auf Gesellschaft und Politik haben, ist uns verwehrt.

Wir brauchen einen gesicherten Rechtsstatus der gewählten muslimischen Vertretungen, der sie als verbindlichen Ansprechpartner für den Staat legitimiert. Zudem Gelder für eine bundesweite Koordinierungsstelle, die die Aufgabe hat, die Zusammenarbeit muslimischer Netzwerke mit der Politik aufzubauen. Sonst kann Herr Schäuble auch gleich den ADAC zum nächsten Islamgipfel einladen: Darin sind vermutlich mehr Muslime Mitglied als in jeder anderen Organisation in Deutschland.

Wie hat sich das Zusammenleben von Muslimen und Nicht-Muslimen in Deutschland seit dem 11. September 2001 verändert?

Unter dem Strich muss ich leider sagen, dass wir uns auseinander gelebt haben. Die Ressentiments gegenüber den Muslimen sind größer geworden. Eine Allensbach-Studie hat ergeben, dass zwei Drittel der deutschen Bevölkerung Angst vor den Muslimen und dem Islam hat. Und die meisten Diskussionen, die uns direkt betreffen, werden über unsere Köpfe hinweggeführt.

Gibt Ihrer Meinung nach eine Hysterie?

Die politische Reaktion, die wir erleben und die von Rasterfahndungen, über verdachtsunabhängige Kontrollen bis hin zur Durchsuchung von Moscheen geht, führt dazu, dass viele Muslime verunsichert sind und sich wie in einem Apartheidsregime als Bürger zweiter Klasse fühlen. Viele Muslime denken ernsthaft daran, dem Land den Rücken zu kehren. Die Politik muss es schaffen, uns endlich das Gefühl zu geben, Menschen erster Klasse zu sein. Dann sind wir die loyalsten Bürger. INTERVIEW: MARCO CARINI