BVG-Kunden zahlen Abfindung

Die Verkehrbetriebe tüfteln an der nächsten Preiserhöhung. Ab 1. Januar müssten die Kunden mehr zahlen – wenn die Politik mitspielt. Gleichzeitig bekommt ein gefeuerter BVG-Vorstand 400.000 Euro

von ULRICH SCHULTE

Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) sind doch immer wieder für eine Überraschung gut. Ihr Aufsichtsrat stiehlt beinahe der Politik die Schau – indem er flugs neue Tarife beschließt, die einen happigen Aufschlag für die meisten Kunden bedeuten würden (siehe Kasten). In den Koalitionsverhandlungen, die Klaus Wowereit Mitte nächster Woche beginnen will, dürfte das Thema Funken schlagen wie eine U-Bahn bei einer Vollbremsung. Denn sowohl Grüne als auch PDS sind strikt gegen jede Erhöhung.

Das BVG-Gremium tagte am Mittwoch unter Leitung von Finanzsenator Thilo Sarrazin. Neben den Preisen beschloss die Runde noch einen brisanten Punkt: den Rausschmiss des BVG-Personalvorstands Hilmar Schmidt-Kohlhas. Aus dem Aufsichtsrat ist zu hören, dass er Ende des Jahres sein Büro räumen muss, der Auflösungsvertrag zum 31. Dezember ist bereits getippt. Während also die BVG-Kunden ab 1. Januar tiefer in die Tasche greifen müssten, bekäme Schmidt-Kohlhas eine lukrative Abfindung. Laut Tagesspiegel stehen 400.000 Euro für zwei Jahre Nichtstun im Raum – eine im Management übliche Summe. „Einen schlechten Vorstand auf dem Posten zu lassen, kommt wesentlich teurer“, so ein Insider. Anscheinend hat die Chemie zwischen dem obersten BVG-Personaler, der für 11.500 Mitarbeiter zuständig ist, und Sarrazin nicht gestimmt. Kohlhas habe den Kurs harter Stellenstreichungen in dem hochverschuldeten Unternehmen nur unwillig mitgetragen – und manchmal torpediert, heißt es.

Die BVG begründet die Erhöhungen mit ihrem Standardargument: steigende Energiepreise und Materialkosten. Maßgeblich sind aber auch Fehlplanungen. Eigentlich wollten die Betriebe durch das Metrolinienkonzept zehn Millionen neue Fahrgäste jährlich werben, unterm Strich wurden es nur 700.000. Die Aufschläge würden vor allem Wenigfahrer treffen. Fast zehn Prozent mehr wollen die Betriebe für Einzeltickets verlangen, 4,5 Prozent mehr bei Monatskarten. Für Stammkunden, die eine Karte im Abo beziehen, bliebe wahrscheinlich alles beim Alten. „Das Sozialticket bleibt stabil. Außerdem versuchen wir die treuesten Kunden von den Erhöhungen auszunehmen“, so ein Aufsichtsratmitglied. „Deshalb sind die Preise politisch vermittelbar.“

Das wird die neue Regierung hinterfragen. Erst am 26. Oktober beschließt der Aufsichtsrat des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg die Preise offiziell, dann muss sie die Verkehrsverwaltung absegnen. Sie kündigte gestern an, genau zu prüfen, ob die Teuerung nötig ist. Finanzsenator Sarrazin kann mit der Erhöhung leben – zumal die BVG laut ihrem Unternehmensvertrag die Preise pro Jahr um drei Prozent anheben darf. „In diesem Jahr sind wir hinter dieser Linie geblieben, mit den neuen Tarifen würden wir zu ihr zurückkehren“, so ein Sprecher. Für Grüne und PDS, die als Juniorpartner in der neuen Regierung sitzen werden, sind Erhöhungen tabu. Einem Aufsichtsratsmitglied schwant bereits: „Das werden heiße Diskussionen.“