„Römischer Frühjahrsbrauch“

RITUALE Den 1. April als Scherztag haben vermutlich die feierfreudigen alten Römer erfunden

■ 65, Kunsthistoriker, war Chef des Altonaer Museums. Dessen Schließung verhinderten eine Bürgerinitiative.Foto: dpa

taz: Herr Hinrichsen, wer hat den 1. April als Scherz-Tag erfunden?

Torkild Hinrichsen: Da gibt es viele Erklärungen. Eine lautet: Die Römer hatten ein Frühlingsfest, die sogenannten Quirinalia. Das erklärt übrigens auch, warum der April ‚April‘ heißt. Auf Lateinisch heißt ‚aperire‘ ‚sich öffnen‘: Der April ist der Monat, in dem sich das Jahr öffnet.

Aber warum „schickt“ man jemanden in den April?

Derjenige, der gefoppt wird, steht stellvertretend für den dummen Herrn Winter, der schmilzt und vom neuen Jahr verjagt wird. Es ist im Grunde also ein Narrentag anlässlich des Frühlings.

Wann kam der Brauch in Deutschland auf?

Auch da gibt es verschiedene Erklärungen. Einige behaupten, es sei 1630 gewesen. Das ist Unsinn. 100 Jahre früher dagegen gab es einen ungeheuer komischen Anlass: 1530 war ein großer Reichstag in Augsburg. Dort beschloss man, das durcheinander geratene Münzwesen zu revidieren – zum 1. April. Daraufhin setzte eine Spekulationswelle ein, sodass man die Münzreform kurzfristig absagte. Wer spekuliert hatte, war angeschmiert. Dass es ausgerechnet am 1. April passierte, war sicher ein Zufall, aber es passt ins Bild.

Hat die Kirche diesen Ritus eigentlich je gut gefunden?

Die Kirche findet so etwas natürlich nicht gut, denn es ist ja ein heidnischer Frühjahrsritus – wie die Winteraustreibungen, die es ja auch in allen Gegenden gibt.

Existiert der Aprilscherz auch in allen Gegenden?

Mehr oder weniger. Diejenigen, die es zuletzt eingeführt haben, sind wohl die Russen. Sie kennen den Aprilscherz erst seit 200 Jahren, aber ansonsten ist es ein intereuropäischer Brauch.

Kennen Sie speziell norddeutsche Aprilscherze?

Es gibt, glaube ich, universelle Scherze für diesen Anlass. Der Klassiker: Man gibt jemandem einen absurden Auftrag, und derjenige ist so doof, dass er das nicht merkt. Ein beschränktes Kind soll im Laden zum Beispiel „für drei Kreuzer Haumichblau“ holen und wundert sich dann. In manchen Gegenden war es aber auch üblich, dass der Gefoppte ein kleines Geschenk als Kompensation bekam.

Und warum ist das Ritual so langlebig?

Weil es immer komisch ist, jemand anders zu foppen, weil man dann selbst der Stärkere ist.

Und der Schlauere.

Ja, man kommt sich so vor, aber man ist es nicht. Denn jemand anders, der gutgläubig ist, ins Elend zu stürzen, gehört ja eigentlich bestraft.  INTERVIEW: PS