„Eine sehr private Stadt“

STÄDTEBAU An der School of Architecture werden vier Neu-Bremer ProfessorInnen vorgestellt

■ gebürtiger Schwabe mit Architekturbüro in Leipzig lehrt seit 2001 an der Hochschule Bremen.

taz: Herr Rettich, Bremen wird ja oft als Stadt der kurzen Wege gelobt…

Stefan Rettich: …aber das ist irreführend: Bremen ist zu lang! Zugleich ist die Stadt meines Erachtens sehr stark auf sich selbst fixiert und wenig offen für Architekten, die von außen kommen. Bremen wird schon städtebaulich betrachtet sehr schnell sehr privat, die Bremer Häuser sind da Fluch und Segen zugleich. Das wirklich städtische Gefüge hört hier schnell wieder auf. Bremen ist eine sehr private und auf sich bezogene Stadt.

Nun sind an der School of Architecture der Hochschule Bremen in letzter Zeit neben Ihnen noch drei weitere ProfessorInnen gekommen, die da neue Impulse setzen können.

Wir befinden uns hier in einem Umbruch: Es findet gerade ein kleiner Generationenwechsel statt, mit dem, ganz klar, auch eine neue inhaltliche Setzung einhergeht. Es werden jetzt zeitgemäßere Themen bearbeitet.

Welche sind das, Ihrer Meinung nach?

Ich selbst lehre hier ja Architekturtheorie, versuche aber, dabei relativ aktuelle gesellschaftspolitische Debatten, die auch in Bremen auftreten, mit den Studierenden zu bearbeiten.

Etwa den eklatanten Mangel an billigem Wohnraum?

Ja, aber es geht mir auch um schwierige Siedlungsstrukturen am Stadtrand oder die sogenannten Factory Outlet Villages, die im Kleid eines historischen Dorfes daherkommen oder Fragen von E-Commerce und Einzelhandel in der Innenstadt. Im kommenden Jahr will ich mich der Neustadt widmen. Man muss sehr wach sein und sehen, welche Probleme sich in Bremen auftun. Gerade zentrale Lagen wurden lange nicht bearbeitet, die Neustadt eben, aber auch die Bahnhofsvorstadt, weil viel Energie in die Überseestadt geflossen ist.

Zu viel?

Meines Erachtens: Ja. Aber das muss in Bezug auf die Innenstadt nicht nur von Nachteil sein, weil man dadurch auch von den Fehlern der anderen lernen und vorausschauender handeln kann, etwa wenn es um Gentrifizierung geht. Da war vor fünf, sechs Jahren vieles noch nicht so recht bekannt.

Welchen Ruf hat die Bremer School of Architecture?

Man darf die Latte nicht zu hoch hängen. Sie ist keine große Universität mit langer Tradition. Aber sie muss den Wettbewerb mit Hamburg oder Hannover auch nicht scheuen. Ich bin zufrieden mit der Nachfrage der Studierenden. Und die Lehre hier ist sehr engagiert. Int.: Jan Zier

19 Uhr, Speicher XI, 3. Etage