Die Welt zu Gast bei Kielern

Erntekronen und Dialektsprecher: Als letztes Bundesland richtet Schleswig-Holstein in diesem Jahr die zentralen Feiern zum Tag der deutschen Einheit aus. Ein Vorabspaziergang verheißt Großes

AUS KIELESTHER GEISSLINGER

„Hier“, sagt Uwe Leo, „müssen Sie sich noch ein Zelt vorstellen.“ Der Mann von der Veranstalter-Firma „Compact-Team“ deutet auf einen staubigen Flecken, um den herum bereits einige Zelte stehen. Direkt am Rand der Hörn, dem Ausläufer von Kiels Ostseehafen, entsteht hier ein Festgelände. Besucher müssen sich zurzeit noch so einiges vorstellen: Überall schleppen Arbeiter Kabelstränge, Bohlen für die Bodenbeläge und lustige bunte Plakate. Bis Sonntagabend haben sie noch Zeit, ab Montag dann „blickt ganz Deutschland nach Schleswig-Holstein“. So schreibt es zumindest Ministerpräsident Peter Harry Carstensen in seinem Grußwort.

Schleswig-Holstein richtet am 2. und 3. Oktober die Feier zum Tag der Deutschen Einheit aus, der zum 16. Mal begangen wird. Schleswig- Holstein ist damit das letzte Bundesland, dem diese Ehre zuteil wird. Schon im vergangenen Jahr machte sich Landesvater Carstensen Gedanken um diesen Termin – in einer Journalistenrunde überlegte er laut, wie die Feiern der Vorgänger zu toppen seien.

„Wir sind mit dem Ergebnis zufrieden“, sagt Regierungssprecher Rüdiger Ewald beim Vorabrundgang über das Gelände. „Schleswig-Holstein wird sich von seiner besten Seite zeigen.“ Rund eine Million Euro spendiert das finanzschwache Land für die Deutschland-Fete, aber dank zahlreicher Sponsoren bleibe vielleicht sogar ein wenig übrig, hofft Ewald. In der Staatskanzlei arbeiteten rund 30 Angestellte ein Jahr lang auf das Ereignis zu. Der Regierungssprecher glaubt, im Ländervergleich vor allem durch das Festgelände punkten zu können: „Die, wie wir auf Plattdeutsch sagen, Location am Wasser ist einfach toll.“

Geboten wird zwei Tage lang alles, was das Herz eines Volksfestfreundes hüpfen lässt: Kinderspiele, Mitmachaktionen zu Land und auf dem Wasser, Promis aus Politik und Sport – darunter Bundespräsident Horst Köhler und Kanzlerin Angela Merkel, Weitspringerin Heike Drechsler und Kugelstoß-Meisterin Astrid Kumbernuss –, sowie jede Menge Essen, Trinken und lustige Infoblätter an den Ständen der Bundesländer. Bierbrauer sind vertreten und bei den Bayern wird traditionell am längsten gefeiert, weiß Regierungssprecher Ewald. Das „Bürgerfest“ beginnt am Montag um 12 und am Dienstag um 10 Uhr, das Festgelände liegt bequem erreichbar am Kieler Hauptbahnhof, Eintritt ist frei. Erwartet werden mehrere 100.000 Gäste, die sich durch die Gassen schieben und vor allem den „Top-Events“ entgegenfiebern sollen – darunter eine Schau mit Erntekronen aus allen Bundesländern und dem längsten Bild Deutschlands, von Kindern gemalt.

Ein Höhepunkt von durchaus Stefan-Raab’schen Dimensionen ist ein Drachenbootrennen am Dienstag ab 15 Uhr. Dabei paddeln Ministerpräsident Carstensen und sein saarländischer Amtskollege Peter Müller um die Wette, weitere Promis hängen sich in die Riemen. Den Journalisten bereitet die Supershow schon jetzt Probleme: Die ZDF-Leute fragen sich, wo sie ihre Kameras aufstellen sollen, Organisator Uwe Leo verweist an die öffentlich-rechtliche Konkurrenz: „Das hier ist NDR-Land.“

Nur Klamauk und Remmidemmi also? „Nein“, sagt Leo. „Es steht ein Konzept dahinter, das macht den Unterschied.“ Zwar könne sich der Besucher auch zwei Tage lang „durch Deutschland essen und trinken“. Aber wer mehr wolle, finde auch mehr, beteuert Leo. So präsentiert sich Gastgeber Schleswig-Holstein als Wirtschafts- und Wissenschaftsland, außerdem findet eine Filmpremiere statt, und Dialektsprecherinnen und -sprecher aus allen Ecken der Republik lassen sich im Festzelt zuhören: „Das gehört dazu.“ Ob dieses Fest die vorangegangenen Feiern schlägt, dazu kann Leo nichts sagen: Seine Firma hat schon mehrere Einheitsfeten veranstaltet, und natürlich war jede auf ihre Weise ganz toll.

Für die Kieler bedeutet die Feier jede Menge gesperrter Straßen und blockierter Parkplätze, die Polizei ist in erhöhter Alarmbereitschaft. Wer sich doch nach Kiel traut, aber irgendwann die Nase voll hat vom Einheitstaumel an der Förde, kann in eine der zahlreichen Moscheen der Stadt flüchten: Die öffnen am Dienstag ihre Türen für Besucher.