Kein Umtausch, kein Wechselgeld

Beim Einkaufen werden Asylbewerber in Celle trotz anhaltenden Protestes von Flüchtlingsverbänden weiterhin übervorteilt. Weil es vermutet, dass Gelder versickern, fordert nun das niedersächsische Innenministerium Klarheit

AUS CELLELUKAS SANDER

Einkauf in einem Celler Supermarkt. Limonade, Kaffee, Zahnpasta, Milch. Die Kunden bezahlen dafür, bekommen Wechselgeld und einen Kassenbeleg. Eine Selbstverständlichkeit, die für manchen Flüchtling offenbar nicht gilt. Flüchtlingsorganisationen sprechen von „alltäglicher Diskriminierung“. Zum gestrigen „Tag des Flüchtlings“ hat der Celler „Arbeitskreis Ausländer“ vorgeführt, dass Asylbewerbern hier trotz zahlreicher Interventionen nach wie vor Unrecht widerfährt.

„Umtauschen ist nicht“, sagt die Kassiererin, als der 25-jährige Abdullah (Name geändert) aus Afghanistan einen Kassenbon verlangt. Den heftet die Frau pflichtbewusst an den Gutschein, mit dem der Asylbewerber seinen Einkauf bezahlt hat. „Beide zusammen gehen zur Abrechnung an die Stadt Celle“, sagt sie, das Duplikat bleibe in der Buchhaltung des Supermarktes. Auch Wechselgeld verweigert sie: „Vorschrift der Stadt!“

Wer Asylbewerber in Celle beim Einkaufen begleitet, erlebt so etwas nicht nur an dieser Kasse. Der Niedersächsische Flüchtlingsrat und der lokale „Arbeitskreis Ausländer“ hatten die Stadtverwaltung bereits im Jahr 2003 darum gebeten, den Missstand abzustellen. Im Rathaus meint man, dieser Bitte ausreichend nachgekommen zu sein. Offensichtlich aber nur mit mäßigem Erfolg.

„Wir haben die uns bekannten Geschäfte zuletzt im Jahr 2005 daran erinnert, dass sie Rückgeld auszahlen müssen“, zeigt sich Celles Erster Stadtrat Gert-Wilhelm Gonell überrascht. Die Aussagen von Kassiererinnen, sie handelten aufgrund einer Anweisung der Stadt Celle, seien schlicht falsch. Sollten Geschäfte ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, werde die Stadt ihnen auf die Finger klopfen. Kontrollen aber habe es bislang keine gegeben.

Doch nicht nur Geschäfte handeln offenbar entgegen der Vorschrift. Denn das nicht ausbezahlte Wechselgeld behalten sie keinesfalls ein. „Es wird nur das abgerechnet, was wirklich gekauft worden ist“, betont der Stadtrat. Nicht ausgezahltes Wechselgeld verfalle und bleibe in der Stadtkasse. Die Beamten im Niedersächsischen Innenministerium lässt das aufhorchen. „Die Kommune darf keine Minderleistungen einstreichen“, betont Sprecher Michael Knaps. Das entspräche wohl nicht dem Gesetz. Das Land habe die Stadt jetzt um einen Bericht gebeten.

Dass Asylbewerber beim Einkaufen mit Gutschein nicht übervorteilt werden dürfen, ist für Horst-Peter Ludwigs vom Flüchtlingsrat eine Selbstverständlichkeit. Er aber will weit mehr: „Das ganze Gutscheinsystem muss weg“, sagt er und sieht sich damit im Einklang mit Datenschützern, Wohlfahrtsverbänden und der Landtags-Opposition. Menschen Bargeld zu verweigern, beraube sie ihrer Selbstbestimmung. Auch ziehe das Argument nicht, dass nur das Gutscheinsystem den Kauf von Alkohol und Tabak oder gar die Bezahlung von Schlepperbanden verhindere. Denn wer wolle, könne seine Gutscheine in Bargeld tauschen – und das werde auch gemacht. Weil die Bearbeitung der Gutscheine weit aufwändiger und damit teurer ist als die Ausgabe von Bargeld, haben sich schon vor Jahren auch der Niedersächsische Städtetag, der Landkreistag sowie der Städte- und Gemeindebund dafür ausgesprochen, dass Asylbewerber Bargeld erhalten sollen.

Das Innenministerium erteilt diesen Forderungen eine klare Absage: Niedersachsen halte sich an das Asylbewerberleistungsgesetz, das die Ausgabe von Sachleistungen und Gutscheinen vorsehe. Wenn bei diesem System etwas „nicht klappen sollte, muss sich die jeweilige Kommune mit den Händlern ins Benehmen setzen“, so Ministeriumssprecher Knaps. Einen ersten Erfolg in Celle gibt es offenbar: Nachdem örtliche Initiativen ankündigten, die rechtswidrige Gutscheinpraxis erneut anzuprangern, erhalten Asylbewerber jetzt in einigen Geschäften ungefragt Kassenbon und Rückgeld. Noch vor wenigen Wochen soll das abgelehnt worden sein.