Klaus Wowereit mag’s bequem

Der Regierende Bürgermeister und seine SPD haben entschieden: Sie wollen mit der Linkspartei eine Neuauflage von Rot-Rot verhandeln. Die Entscheidung im Landesvorstand fiel sogar einstimmig aus

VON FELIX LEE
UND ULRICH SCHULTE

Die Würfel sind gefallen. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit hat sich als Mehrheitsbeschaffer für den Wahlverlierer entschieden. Nach einer fast zweistündigen Debatte trat gestern SPD-Landeschef Michael Müller vor die Tür im Abgeordnetenhaus und verkündete, dass der SPD-Landesvorstand einstimmig entschieden hat, mit der Linkspartei.PDS Koalitionsverhandlungen aufzunehmen.

„Stabilität und Verlässlichkeit der künftigen Koalition haben bei der Entscheidung eine wichtige Rolle gespielt“, sagte Müller. Wenn man eine fünfjährige erfolgreiche Zusammenarbeit fortsetzen könne, gebe es keinen Grund für einen Wechsel. Allerdings habe es auch viele Gemeinsamkeiten mit den Grünen gegeben. Dennoch stehen die Zeichen nun in Berlin auf weitere fünf Jahre Rot-Rot.

„Wir haben konstruktive Gespräche mit beiden Parteien geführt“, sagte Wowereit. Mit beiden wäre eine gemeinsame Regierungsbildung möglich gewesen. „Wenn man sich für einen entscheidet, bleibt nicht aus, dass der andere enttäuscht wird.“

Das Projekt, die Einheit der Stadt wiederherzustellen, sei noch nicht beendet, sagte Wowereit mit Blick auf die besonders im Ostteil der Stadt noch immer starke PDS. Zudem bleibe die soziale Gerechtigkeit ein Leitmotiv der Koalition. Wowereit zeigte sich überrascht, wie wenig die Haushaltssituation bei den Grünen während der Sondierungsgespräche präsent gewesen sei. „So kann man in dieser Stadt keine Politik machen.“ Sowohl eine rot-rote als auch eine rot-grüne Koalition hätten eine hauchdünne Mehrheit.

Die Linkspartei.PDS ist ebenfalls zu Koalitionsgesprächen bereit. Am Abend zuvor hatten 79 Prozent der Delegierten auf einem kurzfristig einberufenen Sonderparteitag ihrer Verhandlungsspitze grünes Licht gegeben. In der Linkspartei waren wegen der Wahlverluste vor allem im Ostteil der Stadt Forderungen laut geworden, in die Opposition zu gehen.

Einzelne Abgeordnete äußerten zudem die Befürchtung, dass sich die Partei fünf Jahre lang von einem „faulen Kompromiss“ zum nächsten hangele. Ellen Brombacher von der Kommunistischen Plattform warf der Parteispitze vor, die Stimmung an der Basis zu ignorieren. Insgesamt büßte die PDS in ihren einstigen Hochburgen rund 9 Prozentpunkte ein und landete mit 13,4 Prozent nur noch ganz knapp vor den Grünen. Als prominentensten Fürsprecher für Rot-Rot bot die Berliner Parteispitze ausgerechnet den Chef der Linksfraktion im Bundestag Gregor Gysi auf. Er hatte vor fünf Jahren nach nicht einmal einem halben Jahr als Wirtschaftssenator das Handtuch geworfen.

Ernüchterung hingegen bei den Grünen (siehe unten). Bis zum Schluss hatten sie gehofft, dass die Sozialdemokraten ihnen den Vorzug geben. Angesichts ihrer deutlichen Stimmengewinne um insgesamt 4 Prozentpunkte wähnten sie sich noch am Abend der Wahl als neuer Regierungspartner. Bis zu fünf Ressorts brachte die Grünen-Spitze ins Spiel – noch bevor die Sondierungsgespräche mit der SPD begonnen hatten. Die SPD war verärgert. Fortan zweifelte Verhandlungsführer Müller an der „Verlässlichkeit“ der Grünen.

Bei den Koalitionsverhandlungen zwischen Linkspartei und SPD selbst wird es wahrscheinlich nur noch um Detailfragen gehen. Vier Kernforderungen hat die Linkspartei aufgestellt: Ein öffentlich geförderter Beschäftigungssektor, Landesunternehmen erhalten, die Ablehnung von Studiengebühren und der „verlässliche Einstieg“ in eine Gemeinschaftsschule. In all den genannten Punkten vertritt die SPD grundsätzlich nichts anderes.