Recht oder Gerechtigkeit

Viele Polen nehmen nach der Entlarvung der korrumpierenden Kaczyński-Brüder herzliche Anteilnahme an deren Scheitern. Warum Schadenfreude helfen kann, den Alptraum zu beenden

VON JAN FEDDERSEN

Janos aus Allenstein schickte Anfang der Woche eine SMS, darin nur ein Smiley und ein Kürzel dafür, dass er gerade schallend lacht. Außerdem stand da etwas von TV und Kaczyński und „Ende eines schlechten Traums“. Das ging anderntags so weiter, genauer, schon in der Nacht kamen Mails und Chatbekundungen von Freunden aus dem Nachbarland, von Anja, Dorota, Adam, Ewa und Maciej aus Łódź, Warschau, Krakau, aus Danzig ohnehin, doch ebenso aus dem Vorland der hügeligen Tatra. Alle, wirklich alle schienen sich die Augen zu reiben – als wäre bald ein Alptraum am Ende.

Bewundernswerter Coup

Der Anlass ist in der Bundesrepublik vielleicht kaum zu ermessen, aber jene Schadenfreudigen hatten im polnischen Privatfernsehen jenen Coup bewundert, mit dem die Abgeordnete Renate Beger sich scheinbar auf einen Mandatskauf zugunsten der polnischen Zwillinge Lech und Jarosław Kaczyński, auf dass ihre Partei weiterregieren darf, eingelassen hatte.

Man muss sich nicht erinnern, ein Blick in eine beliebige Kurzmeldungsspalte in einer Tageszeitung reicht: Die Kacyzyńskis (und ihre Partei PiS, Recht und Gerechtigkeit) verkörpern, im Bunde mit einer Reihe von zwielichtigen, jedenfalls nationalistischen und rechtsradikalen, antisemitischen bis homophoben Parteien, ein Programm, mit dem sie einerseits regieren, andererseits als Präsident dem Staat vorstehen. Im Doppel agieren sie schamlos bis souverän gegen alles, was Liberalität möglich macht, und mit allem, was demagogisch so Standard ist.

Politische Gegner schmähen sie (oder ihre Adepten) als jüdisch, pervers, deutsch oder abseitig als solches – was je nach rhetorischem Bedarf alles das Gleiche meint: antipolnisch zersetzend. Auslandskorrespondenten der taz wie der Süddeutschen Zeitung werden arbeitsbehindernd behandelt.

Und das alles nur, so die Kaczyńskis unverhohlen, um Polen aus dem Klammergriff der Linken, des Westens, Erika Steinbachs und der Freimaurer zu befreien. Außerdem trat man gegen Korruption an – sogar seriöse Politologen räumten ein, dass Bestechlichkeit in Polen dringend der Bekämpfung bedürfe. Aber wie das bei Eiferern so ist: Hochmut kommt vor dem Fall – weshalb die liberale Zeitung Gazeta Wyborcza analysierte: „Im Hotelzimmer der Abgeordneten Beger endete die Regierung von Jarosław Kaczyński.“

Und dann auch noch die ganze Schadenfreude. Ein hässlicher Charakterzug natürlich, man macht sich nicht lustig über das Leid eines oder einer anderen. Freilich liegt die Ironie des Coups der Abgeordneten Beger darin, dass man ausgerechnet ihr, in Sachen Antikorruption nicht minder ambitioniert wie es beim Ministerpräsidenten Kaczyński den Anschein hatte, auf den Leim ging: Beger gilt, ihrer politischen Haltung nicht widersprechend, als ausgesprochen selbstbewusste Frohnatur, seit sie sich mit der Sottise, Sex sei ihr so wichtig wie einem Pferd der Hafer, öffentlich vernehmen ließ.

Adam, der tapfere Gewerkschaftsberater aus Krakau, schrieb übrigens, weil er die taz ihrer Kaczyński-Kritik wegen so liebt, feinsinnig: Mit der Enthüllung sei die Partei PiS so korrupt und übel, wie die postkommunistische Nomenklatur es sich nie getraut hätte: „Die Zwillingskartoffeln liegen nun auf dem politischen Feld, faulen vor sich hin – und werden wohl bald sehr fies riechen.“

War vermutlich nicht persönlich oder sonst wie abfällig gemeint, aber die Hoffnung, dass es bald Neuwahlen gibt und der nationalistische Spuk verweht sein werde, dass zumindest die rechtsliberalen Leute um den gescheiterten Präsidentschaftskandidaten Donald Tusk vor Jarosław Kaczyńskis PiS liegen werde, ist doch zwischen den Zeilen herauszulesen.

Schadenfreude muss natürlich respektiert werden. Sie bricht ja immer dann aus, wenn einer zu moralischem Schaden kommt, der oder die zuvor besonders nachhaltig für saubere Leinwände, gegen Prostitution, gegen Homosexuelles oder Korruption eingetreten ist.

Wer also besonders entschlossen versprach, etwas auszumisten, auszuräuchern oder mit etwas Schluss machen zu wollen – darf sich dann nicht erwischen lassen, dann ist die Fallhöhe einer jeden Laufbahn immer ein wenig zu hoch, als dass es mit einem Weiterleben im Alten vereinbar wäre.

Herzliche Schadenfreude

Schadenfreude, die herzliche Anteilnahme am Scheitern, ist rein und perlend ausgebracht, wenn das Objekt, das sie weckt, unfehlbarer tat, als das Leben als solches erlaubt. Das war bei Uwe Barschel („Ehrenwort“) so, bei religiösen Würdenträgern, die im Puff angetroffen wurden, oder überhaupt bei allen, die eine reine Weste für ein Textil halten, das nur ihnen steht.

Kaczyńskis können froh sein, wenn sie noch zehn Jahre als Eifererbewegung überleben: Auch Polen kommt nicht umhin, sich einen normalen Rechtsstaat zuzulegen – mit Regeln der Korruptionsbekämpfung, mit Gerichtsverfahren, mit Polizei, frei von Attitüden, dass schon der moralische Kampf ausreicht, menschliche Vorteilnahmen zu bremsen.