BenQ entsorgt Siemens-Arbeiter

Investor aus Taiwan stellt Insolvenzantrag. Eigene Managementfehler folgten denen von Siemens. Gewerkschaft fordert jetzt von der Ex-Mutter Siemens Schadenersatz

BERLIN taz ■ Die frühere Siemens-Tochter BenQ-Mobile hat gestern beim Amtsgericht München Insolvenz angemeldet. Während die Zukunft von 3.000 Arbeitern nun in der Luft hängt, kam an der Börse Freude auf. Der BenQ-Aktienkurs stieg kräftig.

Dabei hatte es lange so ausgesehen, als wäre die Mobilfunksparte dem Globalisierungstod von der Schippe gesprungen. Als Siemens vor zwei Jahren mit der Verlegung der Werke Bocholt und Kamp-Lintfort nach Ungarn drohte, hatte sich die Belegschaft zu Arbeitszeitverlängerung und Lohneinbußen bereiterklärt. Im Gegenzug bekam sie Beschäftigungsgarantien, die auch BenQ nach der Übernahme vor einem Jahr zu honorieren versprach. Doch jetzt kommt der Verdacht auf, ob die scheinbare Rettung durch BenQ nicht vielmehr Teil eines Plans war, an dessen Ende in jedem Fall die Abwicklung stehen sollte. „Von vornherein waren beide Verhandlungspartner auf die Entsorgung der deutschen Mitarbeiter aus, anstatt sich um die Sanierung des Unternehmens zu kümmern“, zitiert die Hannoversche Allgemeine ein Schreiben des Betriebsrats.

Die IG Metall fordert nun von Siemens Schadenersatz oder wenigstens die Gründung einer Beschäftigungsgesellschaft. Auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) drohte in Kamp-Lintfort: „Ich habe nicht vergessen, dass dies einmal ein Werk der Siemens AG war.“ Wenn die Vorwürfe des Betriebsrats stimmten und die Insolvenz beabsichtigt war, dann müsse das „gerichtliche Konsequenzen haben“.

Siemens hatte im Mobilfunkbereich lange jeden Trend verschlafen, von Fotohandys bis Farbdisplays. Zu klein, aber nicht fein genug war das Geschäft, um sich auf dem umkämpften Markt zu halten. Dennoch pries Siemens es jetzt als „Weltgeschäft“. Warum aber legte dann Firmenchef Klaus Kleinfeld freiwillig 350 Millionen Euro drauf, als er es an BenQ abstieß? Wollte er sich vielleicht nur von der Verantwortung für die Entlassungen und dem so folgenden Imageschaden freikaufen?

BenQ jedenfalls fehlte es an einer Strategie, die Probleme zu beheben. Über 840 Millionen Euro in den Sand gesetzte Anlaufkosten klagte jetzt BenQ-Chef K. Y. Lee. Dafür habe der Konzern aber neben der Millionen-Mitgift auch Know-how im Wert von fast 1 Milliarde Euro bekommen, kontert der Betriebsrat. Fest steht, dass sich das BenQ-Management kräftig verkalkuliert hat. Das erst vor fünf Jahren aus dem Computerkonzern Acer ausgegliederte Unternehmen hatte lange vor allem Auftragsarbeiten für andere Firmen wie Motorola und Nokia gemacht. Nun wollten die Taiwanesen mit ihrer eigenen Marke auftrumpfen. Den geplanten Handy-Marktanteil von 10 Prozent hat man mit 3 Prozent weit verfehlt. Dafür zogen die düpierten Konkurrenten zunehmend ihre Produktionsaufträge an BenQ zurück. Für das erste Halbjahr 2006 meldet BenQ Verluste von fast 180 Millionen Euro. An der Produktion von Handys der Marke BenQ-Siemens will der Konzern trotzdem festhalten. In Asien. NICOLA LIEBERT