„Eine Stoppuhr hilft“

GENDER Die Zahl der Klagen wegen Männerdiskriminierung steigt rasant. DIW-Expertin Elke Holst erklärt, was getan werden kann

■ ist Forschungsdirektorin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und beschäftigt sich mit „Gender Economics“ und Männern in Führungspositionen.

INTERVIEW HEIDE OESTREICH

taz: Frau Holst, die Zahl der Männer, die nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz klagen, weil sie sich beruflich diskriminiert fühlen, steigt. Wie kommt’s?

Elke Holst: Die Fakten sind eindeutig. Die Zahl der Männer in Top-Jobs sinkt drastisch. Frauen haben zunehmend die Nase vorn. Probleme in den Unternehmen mit Männern entstehen auch durch die internationale Verflechtung: Führungsfrauen von weltweit operierenden Konzernen sind sichtlich irritiert, wenn sie mit deutschen Männern konfrontiert werden. Diese Frauen haben ihre eigene Art der Kommunikation und treffen sich in den berühmten Damenrunden, machen vielleicht mal einen Witz auf Kosten der Männer. Männer stören hier also, könnte man sagen. Da viele Männer die heikle Eigenschaft haben, immer ganz vorne mitreden zu wollen, ziehen sie vor Gericht.

Es geht ja auch um den Habitus: Frauen fördern lieber Frauen, das haben viele Studien gezeigt. Werden Männer dadurch nicht auch diskriminiert?

Durchaus möglich. Es gilt auch für Unternehmen, toleranter zu werden und Vielfalt zuzulassen. Die Frauen tun sich halt auch schwer.

Warum?

Männer sind für viele eine Gruppe, deren Einsatz hochriskant ist. Viele Firmen bemühen sich zwar, Männer wieder stärker zu integrieren, weil sie ja auch zweifelsfrei Vorteile mitbringen, aber die Angst, international zurückzufallen, wenn zu viele männliche Chefs da sind, ist sehr ausgeprägt. So sind männliche Beschäftigte etwa sehr teuer: Immer wieder sind sie wegen übertriebener Gehaltsforderungen aufgefallen. Frauen kosten im Schnitt 22 Prozent weniger. Oder denken Sie an den Hang zu Überstunden. Viele Männer vernachlässigen tatsächlich ihre Familie für den Job, und das sehen Frauen natürlich nicht gern. Es wird den Männern als mangelnde soziale Kompetenz ausgelegt und bringt daher Minuspunkte bei einer zentralen Führungseigenschaft.

Was könnte man tun, um die Situation zwischen den Geschlechtern zu verbessern?

Manchmal helfen schon ganz einfache Dinge. Die Tendenz zum Dauerreden, die manche Männer an den Tag legen, müssen Frauen ja nicht immer mit Augenverdrehen quittieren. Eine einfache Stoppuhr zur Begrenzung der Redezeit wirkt da schon recht gut. Bei cholerischen Ausbrüchen sollte auch nicht gleich zum Äußersten gegriffen werden, aber auch zu ignorieren ist nicht immer gut. Vielversprechend waren da zum Beispiel Versuche der Charité: Da können die Männer mittels Biofeedback lernen, wann sich ihre innere Erregung steigert. Sie können dann schon frühzeitig den Raum verlassen, bevor es zum Äußersten kommt.

Haben Männer sich eine solch ungesunde Lebensweise angewöhnt, oder gibt es da biologische Ursachen?

Es gibt natürlich Hinweise auf problematische Hormonlagen. Aber eindeutige Schlüsse konnten bisher nicht gezogen werden. So kann etwa zu viel Testosteron zu Aggressivität führen, zu wenig aber auch. Gerade überlange Arbeitszeiten sind etwas, das Männer sich schlicht angewöhnt haben, da spielt auch Konkurrenz unter Männern eine Rolle. Jeder will besonders lange im Büro sein. Deshalb sind übrigens ihre Babypausen auch oft so kurz.