Es ist eingeschenkt

BAYERN Die CSU verliert in den Städten, die SPD auf dem Land. Als Sieger der Kommunalwahl fühlen sich die Grünen

VON TOBIAS SCHULZE

MÜNCHEN taz | Einmal auf dem Oktoberfest anzapfen, darauf wartet die CSU seit Jahrzehnten. Zwar darf der bayerische Ministerpräsident auf der Wiesn traditionell die erste Maß trinken. Eingeschenkt wird sie aber vom Münchner Oberbürgermeister. Und den stellt ebenso traditionell die SPD. Zwei Wochen lang träumten die Christsozialen jetzt davon, diesen Makel zu beseitigen. In der ersten Runde der Bürgermeisterwahl hatten sie Mitte März ein starkes Ergebnis geholt und die SPD zum ersten Mal seit 1993 in die Stichwahl gezwungen. Doch am Sonntagabend zerplatzen die Hoffnungen: In den kommenden sechs Jahren wird Dieter Reiter anzapfen. Der Kandidat der SPD hat die Stichwahl mit 56,7 Prozent gewonnen.

„Wenn es am Schluss langt, hat man alles richtig gemacht“, sagte Reiter am Wahlabend vor erleichterten SPD-Mitgliedern. Christian Ude, seit zwei Jahrzehnten Oberbürgermeister und Erfolgsgarant der Sozialdemokraten, durfte aus Altersgründen nicht mehr antreten. Sein designierter Nachfolger galt lange Zeit als blass: Ein Mann der Verwaltung, der seit 1981 für die Stadt München arbeitet und kaum politische Erfahrung hat. Begeisterung konnte er im Wahlkampf nicht entfachen. Mit ihm als Frontmann verlor Rot-Grün vor zwei Wochen sogar die Mehrheit im Münchner Stadtrat.

Einen glanzvollen Sieg hat die Münchner SPD trotz des Ergebnisses der Stichwahl also nicht eingefahren. Das passt zu den landesweiten Resultaten: Klare Gewinner sind nach der bayerischen Kommunalwahl kaum in Sicht. Die CSU stellt in Zukunft zwar fünf Landräte mehr als bisher. Dafür verlor sie nicht nur in München, in Regenburg und Erlangen müssen CSU-Bürgermeister sogar ihre Büros räumen. Slogans wie „Wer betrügt, der fliegt“ sind in den Städten offenbar schlecht angekommen.

Die SPD wiederum erlebte auf dem Land ein Debakel, in Oberbayern regiert sie jetzt überhaupt keinen Landkreis mehr. Schon bei der Landtagswahl im vergangenen Herbst hatte sie Kandidaten vom Land auf aussichtslose Listenplätze gesetzt. Von 14 oberbayerischen SPD-Abgeordneten stammen seitdem 13 aus München oder der unmittelbaren Umgebung. So werden für die Sozialdemokraten ganze Regionen zu weißen Flecken.

Selbst dort, wo die Christsozialen schwächeln, kann die SPD nicht mehr profitieren. In Miesbach zum Beispiel, wo Skandal-Landrat Jakob Kreidl (CSU) nach monatelangen Eskapaden abtreten musste, schaffte es der Kandidat der SPD nicht mal in die Stichwahl. Stattdessen trat am Sonntag ein Freier Wähler gegen den Grünen Wolfgang Rzehak an. Rzehak sorgte nun für eine Sensation: Mit 53,5 Prozent der Stimmen wählten ihn die Miesbacher zum Landrat. Rzehak und sein ebenfalls neu gewählter Amtskollege Jens Marco Scherf im Kreis Miltenberg (Unterfranken) sind die ersten beiden grünen Landräte im Freistaat. Im Wahlkampf hatte Rzehak dafür geworben, die Landschaft am Alpenrand nicht weiter zu zersiedeln. Das kam bei der konservativen Landbevölkerung offenbar gut an. Und so sieht sich zumindest eine Partei als Gewinner: „Das gibt uns Rückenwind für die Europawahl“, sagte der Grünen-Landesvorsitzende Sigi Hagl.

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