Unrecht wird zu Recht
: KOMMENTAR VON BERND PICKERT

Das Manöver der US-Regierung hat funktioniert: Erfolgreich hat US-Präsident George W. Bush die auch in den Reihen seiner eigenen Republikaner wachsende Opposition gegen den rechtswidrigen Umgang mit Terrorverdächtigen domestiziert – und seine auch international kritisierte Politik der Verletzung der Genfer Konvention vom Kongress absichern lassen. Dabei hat er sich vom Grundsatz leiten lassen: Wenn du viel willst, verlange das Unmögliche, und du bekommst mehr, als du dir je erträumt hättest.

Denn es war schon Chuzpe, dem Kongress zunächst einen Gesetzentwurf vorzulegen, der aufs Neue fast genau all diejenigen Passagen enthielt, die der oberste Gerichtshof der USA nur wenige Monate zuvor für unvereinbar mit der US-Verfassung und internationalem Recht erklärt hatte. Das Kalkül: Der Kongress kann sich daran abarbeiten, kleine Siege feiern – und Bush erhält am Schluss, was er eigentlich wollte. International verbriefte Grundrechte sind dabei auf eine Art zur Verhandlungsmasse geworden, die erschreckt. Ein bisschen Folter gegen ein bisschen weniger Rechtssicherheit oder umgekehrt? Das erinnert an die Diskussionen Neunjähriger, was man lieber täte: eine Tasse Eiter trinken oder einem Toten die Nase aussaugen. Nur: Die meinen das nicht ernst.

Der Kongress hat Unrecht zu Recht gemacht. Tatsächlich sind sich, so berichten US-Medien, auch etliche republikanische Senatoren darüber im Klaren, dass Teile des Gesetzes der erneuten Überprüfung durch den obersten Gerichtshof nicht standhalten werden. Dieses Verhalten einer Legislative, eigentlich im höchsten Grade verantwortungslos, ist nur durch den bevorstehenden Schlussspurt im Kongresswahlkampf zu erklären. Es zeigt, dass die Republikaner noch immer ihre Stärke in der „harten Hand“ gegen den Terror vermuten und zu viele Demokraten – 12 von ihnen stimmten für das Gesetz – noch immer glauben, als Opportunisten besser zu fahren denn als Anwälte der Menschenrechte.

So wird das Gesetz wiederum beim Gericht und dann wieder beim Kongress landen. Währenddessen sitzen in Guantánamo weiterhin hunderte von Menschen ein. Ohne Anklage. Ohne Rechte. Ohne Gerichtsverfahren.