Erst Gammelfleisch, dann Billigbutter
: Unmoralisches Angebot

Gammelfleisch, Gammelfisch, Gammelbrot: Nur Tage nach den jüngsten Lebensmittelskandalen protestieren Bauern, Kirchen und Politik völlig zu Recht gegen einen Marketing-Gag der neu aufgestellten Kölner „Rewe“-Einzelhandelsgruppe. Denn zur Fusion ihrer Marken wie „Minimal“ oder „HL“ machen die Kaufleute ihren Kunden ein unmoralisches Angebot: Sie verkaufen das ebenso symbolische wie sprichwörtliche halbe Pfund Butter für 50 Cent – und damit weit unter Einstandspreis.

KOMMENTAR VONANDREAS WYPUTTA

Die aufgeschreckten Öffentlichkeitsarbeiter der „Rewe“ beteuern jetzt, sie hätten den Einkaufspreis nicht gesenkt – die Billigbutter sei ein „Geschenk“ an die Kunden. Entlasten kann das die Einzelhändler nicht: Sie setzen auf die „Geiz ist geil“-Welle, erhöhen zumindest gegenüber der Konkurrenz den Preisdruck und entwerten damit langfristig selbst ihre eigenen Waren. Beispiel Butter: Für die Herstellung eines 250-Gramm-Päckchens sind sechs Liter Milch nötig. Bei dem derzeitigen, immer noch subventionierten Erzeugerpreis von 28 Cent pro Liter müsste das halbe Pfund mindestens einen Euro und achtzig Cents kosten. Doch wer weiß das schon?

Gefragt ist also nicht nur die Politik, die auch außerhalb Nordrhein-Westfalens über ein generelles Verbot von Dumpingangeboten unter Einkaufspreis nachdenkt. Gefragt ist der nachdenkliche Verbraucher, der bewusst auf das ultimative Schnäppchen verzichtet, wenn er sich‘s noch leisten kann. Denn die Billig-Mentalität nicht nur im Lebensmittelbereich schadet Allen: Selbst wenn die Qualität etwa bei Textilimporten stimmt, wurde eben unter oft menschenunwürdigen Bedingungen produziert, die in Europa kaum vorstellbar sind. Exportiert werden dann Jobs – und die Spirale steigender Arbeitslosigkeit, sinkenden Löhnen und Billigstpreisen dreht sich immer schneller.