Siege auf dem Eis, später

Mit dem 4:5 gegen die Hamburger Freezer verloren die Berliner Eisbären zum fünften Mal in Folge ein Spiel. Doch die Niederlagen zu Saisonbeginn nimmt der Verein zu Ausbildungszwecken billigend in Kauf – letztes Jahr war es genauso

VON JOHANNES KOPP

Wann beginnt eine Krise? Für Florian Busch jedenfalls noch nicht nach fünf Niederlagen in Folge. Der Stürmer der Eisbären Berlin wehrte sich direkt nach dem 4:5 bei den Hamburger Freezers dagegen, zu viel Aufhebens um die Erfolglosigkeit seines Teams zu machen. „Solche Niederlagenserien kommen im Eishockey öfter mal vor“, beschwichtigte der 21-Jährige am Samstagabend. Sein Mannschaftskollege Stefan Ustorf beurteilte die Lage anders: „Fünf Spiele in Folge habe ich in meinen zwei Jahren bei den Eisbären noch nie verloren. Das ist schon eine besondere Situation.“

Trotz der unterschiedlichen Wahrnehmung verbindet die beiden Spieler zumindest die Überzeugung, dass das Team stark genug ist, um in Kürze wieder zu gewinnen. Schließlich wollen die Eisbären ihren Meistertitel verteidigen. Für die morgige Partie gegen Ingolstadt prophezeit Busch ein 45:0. Daran glaubt er natürlich nicht wirklich. Etwas überspannt kämpft Busch gegen aufkommenden Trübsinn an.

Aber wer ist schon entspannt nach Wochen des Misserfolgs? Trainer Pierre Pagé war bereits nervös, bevor die Saison überhaupt begonnen hatte. Er kritisierte seine Spieler wegen mangelhafter Einstellung, die Vereinsführung wegen nicht getätigter Neuverpflichtungen und die Presse, weil er, Pagé, alle kritisieren musste, was doch eigentlich deren Aufgabe sei. Vor einer Woche nach der dritten Niederlage in Folge, als das angekündigte Unheil seinen Lauf nahm, erinnerte der Trainer an seine Kassandrarufe. Erneut begann er alles und jeden anzugreifen.

Ein Rundumschlag, der dem mit betroffenen Manager Peter John Lee kaum gefallen haben dürfte. Lee versuchte das mit der Sprache der Diplomatie zu kaschieren. Er erklärte: „Es gibt verschiedene Wege, wie man auf so eine Situation reagieren kann.“ Das Feuer, das Pagé gelegt hatte, wollte Lee nicht noch schüren. Er gab zu bedenken, dass der Trainer fraglos vor einer schwierigen Situation stünde. Mit Denis Pederson, Micki DuPont, Derrick Walser, Rob Leask und dem Torwart Tomas Pöpperle verließen fünf Leistungsträger den Verein. Diese Abgänge haben die Eisbären bis heute nicht adäquat ersetzt. Das schwächt insbesondere die Defensive. Die Berliner kassierten bislang die meisten Tore in der Liga.

Vergangene Saison war die Situation ähnlich. Die Eisbären rangierten etwa zum gleichen Zeitpunkt in der Tabelle ebenfalls nur im Mittelfeld und stellten ligaweit die schlechteste Defensive. Am Ende wurden sie aber deutscher Meister. Dahinter steckt ein Konzept: Der Verein lässt sich bis tief in die Saison hinein Zeit, seine freien Ausländerlizenzen zu vergeben. Auf diese Weise kommen die jungen Spieler mehr zum Einsatz und können frühzeitig an ein hohes Leistungsniveau herangeführt werden. Letzte Spielzeit wurden gleich vier Eisbärenprofis in die deutsche Nationalmannschaft einberufen: Florian Busch, Frank Hördler, Christoph Gawlik und André Rankel. Sie alle sind noch keine 22 Jahre alt.

Niederlagen zu Saisonbeginn nimmt der Verein zu Ausbildungszwecken billigend in Kauf. Von einer Krise kann man deshalb auch nach der jüngsten Pleitenserie nicht sprechen. Fünf der zwölf Ausländerplätze sind ja noch unbesetzt. Ende Oktober kommen erst die begehrten Spieler auf den Markt, die in den Trainingscamps der NHL-Clubs nicht unter Vertrag genommen wurden.

Warum Pagé nun plötzlich an der Strategie der Eisbären zweifelt, ist nicht so leicht nachvollziehbar. Lee vermutet, Pagé sei unruhig geworden, weil er in der NHL des Öfteren um den Lohn seiner Arbeit gebracht wurde. „Aber der Trainer ist bei den Eisbären nicht allein, wir stehen hinter ihm“, sagt Lee. Um weitere öffentliche Brandreden abzuwenden, dürfte Manager Trainer Pagé noch einmal darauf eingeschworen haben. Letzten Donnerstag nach der vierten Niederlage in Serie wirkte Pagé wie verwandelt. Er hob die positiven Ansätze des Spiels gegen Düsseldorf hervor und erklärte den Journalisten: „Ich weiß, wir müssen Geduld haben. Manchmal kommt der Erfolg erst später.“