OFF-KINO
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Weltweit war „Toy Story 3“ einer der erfolgreichsten Filme aller Zeiten: Mehr als eine Milliarde Dollar konnte die Pixar-Animationsproduktion mittlerweile einspielen. Interessanterweise gehört Deutschland nicht zu jenen Ländern, die dazu in besonderer Weise beigetragen hätten. Was wohl einmal mehr damit zu tun gehabt haben mag, dass die Themen von „Toy Story 3“ zu erwachsen wirkten. Es ist das alte Problem: Kinder- und Familienfilme mit einem gewissen Anspruch meiden deutsche Eltern wie der Teufel das Weihwasser. Dabei ging es in den „Toy Story“-Filmen schon immer um den Ernst des Lebens, ist ihr zentrales Thema doch die Angst vor dem Verlust von Liebe und Zuneigung. In „Toy Story 3“ ist Spielzeugbesitzer Andy mit nunmehr 17 Jahren zu alt zum Spielen, und für seine „lebendigen“ Spielzeuge geht es um Leben oder Tod: der Dachboden, die Müllkippe oder die Spendenkiste für den Kindergarten – wo werden sie landen? Dass sie ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und sich für den Kindergarten entscheiden, ist der Beginn einer ebenso schrecklichen wie komischen Odyssee, bei der Regisseur Lee Unkrich die kleinen Helden im irren Tempo in die Konfrontation mit vielen neuen Figuren und durch eine Vielzahl von Stilen und Genres schickt, bis Woody, Buzz und Jessie am Ende sogar der Tod in der Müllverbrennungsanlage zu erwarten scheint. Das mag nach starkem Tobak klingen, doch bei Pixar setzt man unverdrossen auf ein verständiges Publikum, wie mir Lee Unkrich auch im Interview erklärte: „Wir respektieren die emotionale Intelligenz von Kindern, die durchaus in der Lage sind, schwierige Themen in Filmen zu verarbeiten.“ (21.–27. 10., Kulturbrauerei, 21.–23./25.–27. 10., Kurbel)

Auch ein einstmaliger Kassenknüller: „Pretty Woman“, Garry Marshalls absurdes Prostituierten-Märchen, das mehr mit Aschenputtel als mit Dienstleistungssex zu hat und Julia Roberts’ Karriere zum Superstar nachhaltig beförderte. Heute ist Letztere ja eine richtig gute Schauspielerin, die ungemein abgeklärt in richtig schlechten Filmen mitwirkt, damals war sie noch eine verletzlich wirkende Autodidaktin mit breitem Grinsen, die den Film mit ihrer Lebendigkeit und Neugier trägt. (22./ 24. 10., Cineplex Titania)

Im Februar wird man die Werke Ingmar Bergmans bei der Retrospektive der Berlinale geballt zu sehen bekommen, doch jetzt ergibt sich die Möglichkeit, einen von Bergmans besten Filmen schon vorab zu goutieren: „Das Gesicht“ entstand 1958 und erzählt von einer Schaustellertruppe, die im 19. Jahrhundert ihre Zuschauer mit vermeintlich übernatürlichen Darbietungen verblüfft. Als nämliche in einem aufgeklärten Haushalt als Scharlatanerie entlarvt und die Schausteller gedemütigt werden, sinnt ihr Chef auf Rache und inszeniert Erscheinungen, die seine überheblichen Gastgeber in Todesangst versetzen. Das ist ebenso sehr bitterböse Komödie wie persönliches Drama und (Beinahe-)Horrorfilm: ein brillantes und unterhaltsames Werk mit dem stets exzellenten Max von Sydow in der Hauptrolle. (OmeU, 25./26. 10., Arsenal) LARS PENNING