Diffus bis dunkel

Die Deutsche Eislauf-Union steckt in einer Dauerkrise – nicht nur wegen des Streits um Trainer Ingo Steuer

OBERSTDORF taz ■ Der neue Chef bekennt freimütig, er könne keinen Toeloop vom Rittberger unterscheiden, aber was ein Chaos ist, das weiß er. Am 22. Juli wurde der langjährige Präsident des Bayerischen Eissport-Verbandes Dieter Hillebrand, 64, zum Präsidenten der Deutschen Eislauf-Union (DEU) gewählt, und seither, so sagt der, vergehe kein Tag, an dem er sich nicht dreimal frage, warum er sich das angetan habe. Es fehlt an Geld; das juristische Hickhack um den als Stasi-Mitarbeiter enttarnten Trainer Ingo Steuer wird weitergehen. Aktive und Trainer leiden unter dem Eindruck, alles drehe sich nur noch um dieses Thema, und die sportlichen Perspektiven sind diffus bis dunkel.

Nachdem der drohende Konkurs verhindert werden konnte, der Verband eine zeitgemäße Satzung verpasst bekam und offiziell die Trennung von Steuer verkündet wurde, fließen inzwischen zwar die Fördergelder des Bundesinnenministeriums wieder, aber die erste Zahlung von 209.000 Euro war in einer halben Stunde ausgegeben. Der Immobilienbesitz des Verbandes wurde an den Deutschen Eishockey-Bund verkauft. Bis zum 1. November soll der Umzug der DEU-Geschäftsstelle ins Haus der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG) erledigt sein, und deren hauptamtlicher Geschäftsführer Michael Talermann wird in Zukunft auch die Geschäfte der DEU führen, weil die sich keinen eigenen Mann dafür leisten kann.

Aber der Fall des früheren Paarlauf-Weltmeisters Ingo Steuer wird vermutlich ein Dauerthema werden, da das Paar Aljona Sawtschenko und Robin Szolkowy nach wie vor darauf besteht, mit Steuer zu arbeiten. Für den geplanten Start bei der Nebelhorn-Trophy hatte Steuer mit einer einstweiligen Verfügung sein Recht eingeklagt, das Paar zu betreuen. Nach einer Verletzung von Sawtschenko wurde aus dem Saisondebüt allerdings nichts. Hillebrand sagt, Steuers Anwältin Karla Vogt-Röller habe bereits angekündigt, Steuer auch in Zukunft auf gerichtlichem Wege Zutritt zu Wettbewerben mit seinem Meisterpaar zu verschaffen. Das, so der Präsident, könne sich über Jahre hinziehen, und dabei stünde schließlich die Verbandsautomonie auf dem Prüfstand. „Das kann ähnliche Auswirkungen auf den Sport haben wie das Bosman-Urteil.“ Gegenüber dem Innenministerium, das eine Trennung der DEU von Steuer zur Bedingung für die Gewährung weiterer Fördermittel gemacht hatte, ist der Verband jetzt zumindest aus dem Schneider. Das BMI ließ wissen, Gerichtsurteile seien zu befolgen. Zur Frage, ob man sich das so vorstellen müsse, dass Steuer sich für jeden großen Wettbewerb Zutritt per einstweilige Verfügung beschaffen werde, antwortet Hillebrand: „Ja.“

„Steuer, immer wieder Steuer“, klagt Ilona Schindler. Die Erfurter Trainerin fühlt sich mit vielen Kollegen im Verband in der Sorge um die Basis für den Leistungssport einig. Stefan Lindemann, WM-Dritter des Jahres 2004, leidet unter einer Virus-Infektion. Eistänzerin Christina Beier vom deutschen Meisterpaar plagt sich seit Wochen mit einer Sehnenentzündung auf dem Fußrücken. Bruder und Partner William steht allein auf dem Eis. Wie es ohne die Mitwirkung der Spitzenkräfte aussieht, das sah man am Wochenende in Oberstdorf: miserabel.

Um das sportliche Konzept wird sich, angesichts der Eishockey-Fachleute im Präsidium, mehr denn je der Sportdirektor kümmern müssen. Udo Dönsdorf gibt sich sichtlich Mühe, den Mut nicht sinken zu lassen. „Wenn die Situation schwierig ist, dann ist der Zeitpunkt günstig, was Neues zu beginnen“, sagt er.DORIS HENKEL