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LESERINNENBRIEFE

Fronarbeit im 21. Jahrhundert

■ betr.: „Unbezahlbar, unbezahlt“, taz vom 28. 3. 14

Unsere beiden Kinder haben für soziale/pädagogische Berufe studiert. Die Zeit der Praktika liegt mittlerweile hinter uns. Die Praktikumsstellen, die beide ausgeführt haben, waren unbezahlt. Manche Arbeitgeber haben ihnen aber kleine Vergütungen – zum Beispiel Kinokarte, Fahrgeld etc. – gegeben.

Große Praktikumsanbieter sind da „ausbeuterischer“. Als Beispiel eine Uniklinik: Unsere Tochter war als Praktikantin eingestellt. Sie hat mit viel Freude, Engagement und Ernsthaftigkeit gearbeitet und bekam nach kurzer Zeit Arbeiten übertragen, die normalerweise Hilfsschwestern ausführen. Am Ende des Praktikums wurde sie in einem Punktesystem von einem Arzt bewertet, welcher unsere Tochter selten beim Arbeiten beobachten konnte. Unsere Tochter war sich sicher, dass sie die volle Punktezahl bekommen würde, denn sie hatte sehr gute Arbeit geleistet, und auch die Schwestern bestärkten sie in dieser Ansicht. Doch sie erhielt nicht die volle Punktezahl. Als sie den Arzt darauf ansprach, warum sie nicht die volle Punktezahl erhalten habe, schließlich habe sie Arbeiten wie eine Hilfsschwester ausgeführt, antwortete er ihr, sie sei aber keine Hilfsschwester.

Eine befreundete Krankenschwester bringt es auf den Punkt, sie sagte zu mir: „Ich kriege immer das große Kotzen, wenn ich sehe, wie diese jungen und willigen Menschen ausgebeutet werden. Sie sind hier in der Klinik fest einkalkulierte kostenlose Arbeitskräfte.“

Es wäre ein wichtiges Zeichen, gute Arbeit in einem Praktikum angemessen zu honorieren. Die Zeit der Fronarbeit sollte im 21. Jahrhundert wirklich vorbei sein. SIBYLLA M. NACHBAUER, Erlangen

Schlecht weggekommen

■ betr.: „Eine Stoppuhr hilft“, taz vom 1.4. 14

Zugegeben, kurz nahm ich es ernst. Aber schade, dass selbst bei Aprilscherzen die Frauen schlecht wegkommen.

INGRID SCHÜTZ, Tübingen

Zu schwarz-weiß

■ betr.: „Das Fleisch, die Fabrik und der Tod“, taz vom 29. 3. 14

Die industrielle Tierhaltung ist zerstörerisch für Tier, Mensch und Umwelt. Es wäre auch tatsächlich nicht dramatisch, wenn die Industriehühner nicht weiter gezüchtet würden. Aber das ist zu kurz gedacht. Es geht um Nutztiere wie Leineschaf und Heidschnucke, Rotes Höhenvieh und Schwarzbuntes Niederungsrind, Buntes Bentheimer Schwein, verschiedene Hühnerarten und viele andere Nutztiere, die vom Aussterben bedroht sind. Sie und ihre Halter haben die Landschaft, in der wir leben, erschaffen und erhalten sie – ohne Nutztiere gäbe es keine Wiesen und Weiden, Magerrasen und Heide. Diese Flächen bilden wiederum den Lebensraum für Tausende Lebewesen. Dass also ohne Tierhaltung viele Tier- und Pflanzenarten aussterben, scheint Hilal Sezgin zu verdrängen.

Hilal Sezgin hat recht, es braucht den Willen, über den jetzigen Zustand (Form der Tierhaltung, Ressourcenverbrauch, Ernährung …) hinauszukommen. Ihre Antwort ist für mich aber zu schwarz-weiß. MICHAEL KAUFMANN, Wilsede

Nato braucht Feindbilder

■ betr.: „Bläst Moskau zum Rückzug?“, taz vom 1. 4. 14

Die Nato hat immer Feindbilder gebraucht (im Zweifelsfall selbst erzeugt), um eine Ausweitung der eigenen Einflusszone zu legitimieren, zum Beispiel im Irak. Nun nutzt sie die Krimkrise, um die eigene Präsenz in Osteuropa zu stärken. Nach dem NSA-Skandal können die USA und Großbritannien ihre Machtposition in der Allianz wieder festigen. Ich halte die Forderung der Russen, dass die Ukraine in ihrer neuen Verfassung die Blockfreiheit festlegen soll, für berechtigt. Ich wundere mich, dass die deutsche Regierung nicht darauf eingeht, sondern lieber eine riskante Kraftprobe mit Moskau unterstützt. So sehr ich manche Kritik an Putin für richtig halte, bin ich von einigen undifferenzierten, fast aggressiven Stellungnahmen von Grünen-Politikern erschreckt. Man sollte eine demokratisch gewählte Regierung in Kiew ohne Faschisten, eine Aufklärung der Todesfälle auf dem Maidan und vor allem „das gemeinsame Haus Europa“ fordern und nicht nur die einseitige Interessenpolitik der USA beziehungsweise das Entstehen neuer Feindbilder nach dem gewaltsamen Tod von Bin Laden unterstützen. DAVIDE BROCCHI, Köln

Mauer aus Bits und Bytes

■ betr.: „Proteste gegen Twitterverbot“, taz vom 24. 3. 14

Heute bestehen Mauern von Staaten nicht mehr aus Stahl und Beton, sondern aus Bits und Bytes. Die „Great Firewall of China“ bezeichnet beispielsweise verschiedene Systeme zur staatlichen Internetzensur in China. Jüngstes Mitglied im Bund der Informationskontrolle ist die Türkei mit der Sperrung von Twitter und später YouTube. Diese Maßnahmen unterstreichen einmal mehr, wie wichtig das Internet heute für die freie Meinungsäußerung und Information ist. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe urteilte im Jahr 2013: „Das Internet und der Zugriff auf seine vielfältigen Inhalte ist von zentraler Bedeutung für die Lebenshaltung“, und setzte es damit mit dem Grundrecht auf Mobilität gleich. In einem demokratischen Staat sollte daher ein uneingeschränkter Zugriff auf das Internet möglich sein.

Bleibt zu hoffen, dass auch zukünftig die Stimmen gegen Zensur im Internet nicht verstummen und wir nicht alle weitere Steine in der Mauer werden. MICHAEL SCHIEFELE, Balzhausen

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